Weiße Stille
mir leid, aber ich habe das nicht ganz verstanden«, sagte Ellie und blickte dabei Bob und Ren an. »Wie können Sie sagen, Jean sei tot, wenn Sie gar keinen Leichnam haben?«
»Es ist Jean, Liebling«, sagte Transom.
Ellie starrte ihren Mann an, als hätte ein völlig Fremder mit ihr gesprochen.
»Woher willst du das wissen?«
»Weil drei Personen, darunter der Leichenbeschauer, ihre Leiche mit ziemlicher Sicherheit identifiziert haben«, sagte Transom. »Außerdem wurde ihr FBI-Ausweis oben am Berg gefunden. Wir dürfen uns nichts vormachen. So schrecklich es auch ist, Ellie, ich habe meine einzige Schwester verloren. Und es kann Monate dauern, bis ihr Leichnam geborgen werden kann. Möglicherweise wird er niemals gefunden.«
»Oh, Schatz«, stieß Ellie hervor. »Es tut mir so leid …« Sie schlang die Arme um seine Schultern und ließ ihren Tränen freien Lauf, während Ren und Bob hilflos und betreten dasaßen.
Bob und Ren sagten ihren üblichen Spruch auf, gaben den Transoms ihre Visitenkarten und verabschiedeten sich. Ren schaute Bob mit traurigem Blick an. Sie hielt sich an seinem Arm fest, als sie die vereisten Stufen hinunterstiegen.
»Da hatten wir aber verdammtes Glück, dass Transom bei der Ski-Patrouille gearbeitet hat«, sagte Bob.
»Unglaublich, nicht wahr?«, sagte Ren. »Da sind wir noch mal glimpflich davongekommen.«
»Wir haben ihm nicht mal ein Foto, einen Ausweis, ein Kleidungsstück oder irgendetwas gezeigt, und er hat uns geglaubt.«
Bob öffnete Ren die Beifahrertür.
»Ich weiß«, sagte Ren und stieg ein. »Aber er steht unter Schock. Wenn er wieder zu sich kommt, könnte er ausrasten. Oder seine Frau übt Druck auf ihn aus. Oder auf uns. Die Medien könnten ihn bedrängen …«
»Ich glaube nicht«, sagte Bob. »Er scheint mir ein ruhiger Vertreter zu sein, der sich durch Druck von außen nicht so schnell beeinflussen lässt.«
»Stimmt«, sagt Ren. »Ein Choleriker scheint er nicht gerade zu sein.«
Sie schwiegen eine Weile. Bob schaltete das Radio ein. Rock aus den Siebzigern erklang – Musik, die Ren besonders ungern hörte. Sie ließ es wohl oder übel über sich ergehen.
»Wie alt mag Transom sein? Achtundzwanzig, neunundzwanzig?«, fragte Ren. »Die älteste Tochter schätze ich auf ungefähr sieben.«
»Könnte hinkommen«, sagte Bob.
»Meine ich das nur, oder versuchen Leute, die jung heiraten und sich einen Stall voller Kinder anschaffen, ihre unglückliche Kindheit zu kompensieren?«
Bob lachte. »Oder sie hatten eine so fantastische Kindheit, dass sie diese Tradition gerne fortsetzen möchten.«
»Hm«, erwiderte Ren. »Das gefällt mir besser.«
Bob lächelte. »Ehrlich gesagt, mir auch.«
11.
Das Firelight Inn stand an der Kreuzung der French Street und der Wellington – ein schmuckes, mit Holzschindeln verkleidetes viktorianisches Haus. Es war in einem blassen Blaugrau gestrichen, das für Breckenridge typisch war. Ein Holzzaun umschloss die Gärten. Der Schnee hatte sich bis zu den Fensterbänken aufgetürmt.
»Gute Nacht, Ren«, sagte Bob. »Schlafen Sie gut. Und danke für Ihre Hilfe. Wir treffen uns um Viertel nach sieben im Büro.«
»Ja. Bis morgen.« Ren stieg aus, winkte Bob hinterher und stieß die Eingangstür des Gasthauses auf. Die Eingangshalle war mit dicken Matten ausgelegt, die mit Schneeresten übersät waren. Snowboards und Skier hingen an den Wänden. Das Firelight Inn war sowohl Gasthaus als auch Jugendherberge. Ren hatte eine gemütliche Suite im obersten Stock, zu der man durch den Haupteingang und über eine eigene Außentreppe gelangte.
Als Ren in ihrem Zimmer war, trat sie ans Fenster und blickte hinaus in die Nacht. Dann zog sie ihr Handy aus der Tasche und wählte eine Nummer.
»Ich bin begeistert«, sagte sie.
Paul Louderback am anderen Ende lachte. »Das habe ich nicht anders erwartet.«
»Wann warst du hier?«
»Vor zwei Jahren im Sommer. Mit Marianne und den Kindern. Wir hatten eine Suite.«
»Die habe ich auch.«
»Die mit der separaten Treppe? Über dem Whirlpool?«
»Ja. Es ist wirklich toll.«
»Ich dachte mir schon, dass es dir gefällt. Marianne wollte in einer der Wohnungen übernachten.«
»Ich finde es hier schöner.«
»Ich weiß.«
»Wohnungen sind überall gleich«, sagte Ren.
»Ja. Vergiss nicht, dein Frühstück zu bestellen, bevor du ins Bett gehst.«
»Kann ich unten anrufen?«, fragte Ren und hielt nach einem Telefon Ausschau, doch es schien keins zu geben.
»Suchst du ein Telefon?«
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