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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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ständigen Gesprächen über die neuesten Sportereignisse.
    Im Wohnzimmer: DVD s, CD s, Kerzen, Kissen. In der Küche: Kaffeebecher, Geschirr, Gewürze. Im Schlafzimmer: Teddys, Puppen, Kissen, Bücher. Im Badezimmer: Seife, Shampoo aus dem Supermarkt, Haarspülungen und Feuchtigkeitscremes.
    Ren stand in Jeans Schlafzimmer, in dem die Farben Lavendel und Weiß vorherrschten. Auch ohne die Lampen und Kerzen, die aussahen, als würden sie jede Nacht brennen, war es ein gemütliches Zimmer. Auf der Ablage über dem Bett standen Liebesromane, gut erhaltene Glücksbärchen, eine Emily-Erdbeer-Puppe und ein Cabbage Patch Kid. Ren konnte der Versuchung nicht widerstehen, die Puppe in die Hand zu nehmen. Nach all den Jahren bist du immer noch gruselig. Sie musste an die »Garbage Pail Kids« denken – Sammelkarten mit grotesken Zeichnungen verunstalteter Kinder: grässliche Parodien der Cabbage-Patch-Puppen, denen Zähne, Augen und Gliedmaßen fehlten und denen grüner Schleim aus Nase und Mund quoll.
    Ren ging zu der Kommode, die unter dem Fenster stand. Sie zog die oberste Schublade heraus, in der mehrere preiswerte Dreierpacks mit pastellfarbenen Baumwollslips lagen. Ren lächelte. Eine ihrer Freundinnen nannte sie die »Dunkelkammerslips«, weil sich nur dann etwas abspielen würde, wenn das Licht aus war. In der nächsten Schublade lagen BH s – große, schlichte Sport-BH s oder Minimizer. Meine Güte, mein Kopf würde in ein Körbchen passen. In den anderen Schubladen lagen ordentlich gefaltete T-Shirts und Unterhemden von Gap und J. Crew.
    Jeans Arbeitszimmer sah aus wie ein Museumsraum, doch ohne einen Hinweis auf die Bewohnerin, etwa eine Tasse, eine zusammengeklappte Brille oder ein griffbereiter Kugelschreiber. Alles war sauber und sehr akkurat. Es herrschte nicht die geringste Unordnung. Die Kriminaltechniker hatten den Laptop bereits mitgenommen; daher konnte Ren sich Jeans Dateien nicht ansehen, sondern nur die Akten, die in den Schränken hinter dem Schreibtisch perfekt in Reih und Glied standen. In einer Steckdose steckte ein Ladegerät. Das Kabel war sorgfältig darum gewickelt.
    Überall im Haus gab es Zeugnisse trauriger, unvollendeter Tätigkeiten: Salatreste, die eingepackt auf einem Einlegeboden im Kühlschrank standen, Karotten-und Selleriesticks, ein mit der Hand gewaschener Pullover, der auf einem Trockenständer lag, ein Packen Fotos. Ren blätterte sie durch. Es waren Innenaufnahmen des Hauses: Als Ren sich umschaute, erkannte sie alles wieder, was sie auf den Bildern sah – Weitwinkelaufnahmen sowie Nahaufnahmen, teils mit Blitz geschossen, teils ohne. Jean Transom hatte eine neue Kamera und einen neuen Drucker getestet.
    Es war, als würden das Haus und seine Einrichtung im Dornröschenschlaf liegen und erst wieder erwachen, wenn die richtige Person durch die Tür kam.
    Ren betrachtete die Familienfotos an der Wand: Jean und Patrick Transom, seine Frau, ihre Kinder. Und keine Schatten im Hintergrund.

18.
    »Guten Tag«, sagte Ren zu der älteren Frau im Garten des Nachbarhauses, die in gebeugter Haltung rückwärts einen schmalen Weg hinunterging, wobei sie einen kleinen Teppich hinter sich herzog, den sie kräftig ausschüttelte. Sie trug einen viel zu großen roten Pyjama und silberfarbene Schneestiefel. In ihrem linken Mundwinkel hing eine Zigarette.
    Die Frau blieb stehen, schaute Ren an und verdrehte die Augen. Ren blickte auf den Teppich.
    »Oh, war das Ihr Hund?«
    Die Frau nickte, richtete sich auf und nahm die Zigarette aus dem Mund. »Warum, glauben Sie, habe ich mir die Zigarette in den Mund gesteckt? Bah!« Sie fuchtelte vor ihrem Gesicht mit einer Hand durch die Luft. »Kommen Sie bloß nicht näher«, sagte sie. »Montezumas Rache kann auch Hunde treffen, und das riecht gar nicht gut.«
    Ren lachte, blieb stehen und beobachtete die Frau von Jeans Einfahrt aus. Es wurde häufig unterschätzt, was die Leute alles mitbekamen und welche Gefühle sie aufgrund ihrer Beobachtungen und ihrer Gespräche unter Nachbarn entwickelten: Abneigung, Verbitterung, Eifersucht, Lust, Liebe, Hass, Misstrauen. Der eine fand einen Nachbarn sympathisch, während er für den anderen ein Spinner war. Ren hatte ein besonderes Geschick für dahingehende Befragungen: Wenn sie mit Nachbarn plauderte, holte sie die letzten Informationen aus ihnen heraus und verschaffte sich ein gründliches Bild. Bekanntlich konnte man den Menschen nur vor die Stirn gucken.
    »Warten Sie einen Moment«, sagte die Frau und

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