Weiße Stille
zog einen schwarzen Müllsack unter dem Bündchen ihrer Hose hervor. »Ich wickle das hier schnell ein, dann bin ich für Sie da. Ich nehme an, Sie sind vom FBI.«
»Ja, Ma’am. Mein Name ist Ren Bryce.«
»Ich heiße Margaret Shaw, und ich muss mehr Dreck beseitigen, als Sie sich vorstellen können.« Sie schob sich die Zigarette wieder zwischen die Lippen und wusch sich die Hände unter dem eisigen Wasser eines Hahns vor dem Haus. »Okay, fertig.«
»Ich ermittle im Fall Jean Transom«, sagte Ren. »Ich würde mit Ihnen gerne kurz über sie sprechen.«
»Kein Problem.«
»Was war Jean für ein Mensch?«
Margaret zuckte mit den Schultern. »Ich weiß es nicht.«
»Und warum nicht?«
»Sie war eine von den stillen, unauffälligen Menschen, über die immer wieder in den Nachrichten berichtet wird, wenn plötzlich etwas Schreckliches geschieht. Manchmal frage ich mich, ob wir allesamt lärmende Zeitgenossen sein müssen, damit wir nicht umgebracht werden.«
»Könnte was dran sein«, meinte Ren.
»Ich wusste nicht mal, dass Jean FBI-Agentin war, bis ich es in den Nachrichten hörte. Mit ihrem frischen Teint und der Kleidung, die sie immer trug … ich hätte eher gedacht, sie wäre Försterin oder so.« Sie musterte Ren von oben bis unten. »Sie sehen auch nicht wie eine FBI-Agentin aus, eher wie …«
Sag jetzt nichts, was mich verletzt.
»… hm, Sie haben Augen wie …«
Sag jetzt nicht »wie eine Indianerin«.
»Wie eine der Darstellerinnen von Disney on Ice.«
Originell.
»Jedenfalls, Jean war sehr zurückhaltend. ›Guten Tag, auf Wiedersehen, schönes Wetter heute, schlechtes Wetter heute.‹ Viel mehr haben wir nicht geredet. Ich hatte keinen Schlüssel für ihrHaus. Soviel ich weiß, hatte keiner der Nachbarn einen Schlüssel. Jean war ruhig und freundlich. Morgens ging sie immer zum Joggen. Sie ist gelaufen, als wäre der Teufel hinter ihr her. Sie fuhr früh zur Arbeit, kam um sieben oder halb acht nach Hause, hat sich um ihre Katze gekümmert und sich dann vor die Flimmerkiste gesetzt.« Margaret holte tief Luft. »Ich schätze, sie war eine von Millionen Frauen auf der Welt, die genau dasselbe tun.«
Ren nickte, ohne von ihrem Notizblock aufzuschauen.
»Aber da wäre noch etwas«, druckste Margaret herum.
Ren hob den Blick und runzelte die Stirn. »Und was?«
»Hm … Es könnte nichts zu bedeuten haben, aber … In den letzten Monaten bekam sie mehrmals Besuch von einer sehr attraktiven Frau, Mitte bis Ende zwanzig.«
»War es eine Freundin? Eine Verwandte?«
»Keine Ahnung.«
»Hat Jean den Namen der Besucherin mal erwähnt? Oder haben Sie gesehen, dass die beiden sich an der Tür oder am Auto begrüßt oder verabschiedet haben?«
»Ich habe die Frau mal gesehen, als sie mit einer Einkaufstüte aus einem Kaufhaus hierherkam. Und ich habe immer nur gesehen, dass sie allein zu ihrem Wagen zurückgegangen ist. Einmal hat sie Blumen mitgebracht, einen winzigen Strauß. Ich dachte noch, was für ein mickriger Blumenstrauß.«
»Wie sah sie aus?«
»Wie schon gesagt, attraktiv, groß, braunes Haar, gesunder Teint, normale Kleidung, nicht zu ausgefallen, nicht zu sportlich.«
»Wissen Sie, ob Jean sich regelmäßig mit einem Mann getroffen hat? Oder hat sie es Ihnen vielleicht sogar erzählt?«
Margaret überlegte. »Ah, ich verstehe, worauf Sie hinauswollen.«
»Ich will auf gar nichts hinaus. Ich frage mich nur, ob Jean auch von anderen Leuten Besuch bekam.«
Margaret schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe ihren Bruder mal hier gesehen und ihn auch mal kennen gelernt. Netter Mann.Aber sonst kam niemand. Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas sagen, was Ihnen hilft, aber ich fürchte, da gibt es nichts.«
»Wissen Sie, was für einen Wagen die Frau gefahren hat, die öfters zu Jean gekommen ist?«
»Eine rotes Auto.«
Ren wartete auf weitere Informationen.
»Ich verstehe leider nichts von Autos«, fügte Margaret hinzu.
»Okay. Gibt es noch etwas, was ich über Jean wissen muss? Irgendetwas, das Ihnen aufgefallen ist.«
»An Jean war nichts besonders auffallend. Nicht dass Sie mich falsch verstehen, das meine ich nicht in negativem Sinne.«
»Erinnern Sie sich, ob Sie Jean am Freitag, den zwölften Januar, gesehen haben?«
Margaret dachte kurz nach und nickte dann. »Ja, da habe ich sie gesehen, als sie von der Arbeit nach Hause kam. Das muss … ja, das muss gegen sieben Uhr gewesen sein.«
»Und anschließend?«
»Habe ich sie nicht mehr zu Gesicht bekommen. Ich lag
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