Weiße Stille
dreiundzwanzig Uhr. Wenn Jean sofort nach Hause zurückgekehrt wäre, wäre sie frühestens um halb zwölf in ihrer Wohnung gewesen. Ich habe gerade mit ihrer Nachbarin gesprochen, einer Mrs. Margaret Shaw. Sie hat beobachtet, dass Jean um sechs Uhr nach Hause gekommen ist. Später an diesem Abend hat Mrs. Shaw sie dann nicht mehr gesehen. Mrs. Shaw ist um halb elf ins Bett gegangen.«
Ren überflog die Informationen, die Beamte des Sheriffs und ihre Kollegen von der Rocky Mountain Safe Streets für sie gesammelt hatten. »Am Samstagmorgen, den dreizehnten Januar, hat Jean um neun Uhr ihr Frühstück im Mort’s Diner in Rifle bezahlt. Dann fuhr sie zum Outlet-Einkaufscenter in Silverthorne. Dort hat sie sich bei J. Crew eine Bluse, bei Zales eine Halskette und bei Le Creuset eine Grillpfanne gekauft. Die Sachen stehen noch verpackt in ihrem Haus. Anschließend fuhr sie zu Open Book in Frisco. Die Besitzerin konnte sich an Jean erinnern, nachdem sie die Nachrichten gesehen hatte. Sie beschrieb Jean als nette, höfliche Frau. Die beiden haben kurz über das Wetter gesprochen.«
Ren hielt inne und blickte in die Gesichter ihrer Zuhörer. »Colin Grabien«, fuhr sie dann fort und nickte Colin zu, damit alle wussten, wer gemeint war, »ist unser Kommunikations-und IT-Experte bei der Rocky Mountain Safe Streets. Er wartet jetzt darauf, dass die Telefongesellschaft ihn zurückruft. Bis morgen früh sollten uns die Gesprächsdaten der Handys und Bürotelefone vorliegen. Ich habe mich in Jeans Büro und in ihrer Wohnung umgesehen. Sowohl im Büro als auch in der Wohnung lagen Ladegeräte, allerdings für unterschiedliche Geräte. In ihrem Büro lag ein Ladegerät von Motorola. Tiny Gressett hat bestätigt, dass das ihr normales Arbeitstelefon war. Zu Hause hatte sie ein Ladegerätvon Virgin. Bis jetzt habe ich allerdings noch keine Hinweise auf das dazugehörige Telefon.« Ren hielt kurz inne und blätterte in ihren Notizen. »Außerdem habe ich Jeans Ermittlungsakten aus dem Büro in Glenwood mitgenommen. Sie hatte vierzig laufende Fälle. Ich werde diese Fälle unter Ihnen allen aufteilen, sodass wir gemeinsam nach möglichen Verbindungen zu ihrer Ermordung suchen können. Eine Liste der Personen mit Vorstrafen hier in der Stadt wird zurzeit von den Beamten des Sheriffbüros überprüft. Heute Abend und heute Nacht brauche ich noch Leute, die sich in der Stadt umhören. Vielen Dank.«
Alle verließen das Besprechungszimmer und kehrten in ihre Büros zurück. Ren packte ihre Notizen zusammen und machte sich auf den Weg zu Bobs Büro, als sie Tiny Gressetts Stimme hinter einer Flurecke hörte. Irgendetwas veranlasste sie, stehen zu bleiben.
»… diese Büromieze hat die Rocky Mountain Safe Streets bestimmt um den kleinen Finger gewickelt«, hörte Ren ihn sagen.
Büromieze. Wie nett.
Einen Augenblick herrschte Stille. Ren fragte sich, ob Gressett ihre Schritte gehört hatte.
Dann erklang Todds Stimme. »Meinst du? Sie scheint mir nicht der Typ zu sein.«
»Wirklich nicht?«, sagte Gressett. »Du glaubst nicht, dass sie da reingeht und …«
Er ahmte ein Geräusch nach. Ren wusste nicht, was es bedeuten sollte.
»Ich habe noch nie gesehen, dass sie so etwas tut«, erwiderte Todd in einem Tonfall, der seinen Unmut über das Gespräch deutlich erkennen ließ.
»Sieh dich doch an«, sagte Gressett.
»Sie ist nicht mein Typ«, erwiderte Todd. »Hast du mich jemals mit einer Brünetten gesehen? Was ist eigentlich los mit dir, Gressett? Warum bist du so sauer? Bist du scharf auf sie?«
Gressett knurrte: »Klar doch.«
Ren hielt ihr Handy ans Ohr und sprach laut und fröhlich hinein. »Ja, sicher, kein Problem. Mach ich. Auf jeden Fall.« Als sie um die Ecke bog, tat sie so, als würde sie ihr Telefonat gerade beenden. »Oh, hallo. Alles klar?«
»Äh … alles bestens«, erwiderte Gressett und wurde rot.
20.
Als Ren Bobs Büro betrat, spiegelte sich auf ihrem Gesicht die Wut über Tiny Gressetts Bemerkungen.
»Alles in Ordnung?«, fragte Bob.
»Ja, Sheriff«, sagte Ren. »Von mir aus können wir los.«
Bob nickte, stand auf und nahm seine Jacke von der Rückenlehne des Stuhls.
Mike Delaney kam herein. »Gerade kam ein Anruf aus dem Reign on Main. Hal Rautts sagt, Jean habe am fünfzehnten Januar dort gegessen, an einem Montagabend.«
»Wer ist Hal Rautts?«, fragte Ren. »Und was ist Reign on Main?«
»Das Reign on Main ist das beste Feinschmeckerlokal in der ganzen Gegend«, erklärte Bob. »Und Hal Rautts
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