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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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Sie als Anwalt doch am besten wissen.«
    Haggart nickte. »Ja. Aber als ich diese Berichte mit den bunten Bildern auf dem Breitbildfernseher gesehen habe, bekam ich einen regelrechten Schock. Sie hatten alles wieder ausgegraben. Sicher, alte Berichte findet man auch im Internet, wenn man sie sich ansehen will, aber jetzt kommt alles wieder hoch, und der Name … mein Name steht da. Das ist nicht gut für mich, besonders nicht für meinen Job als Anwalt.«
    Angesichts dieser Prioritäten hielt Rens Mitgefühl sich in Grenzen.
    »Das ist sicherlich eine schwierige Situation für Sie.«
    »Nun, ich spreche mit Ihnen darüber, weil ich mich nicht an den Sheriff wenden kann. Die Polizisten in Breckenridge waren fast so etwas wie Terrences Privatchauffeure. Sie wären ziemlich sauer. Terrence war ein windiger Bursche, aber die Leute mochten ihn, darum drückten sie oft ein Auge zu. Aber als die Sache mit Wilson passiert ist, sahen alle ihn plötzlich mit anderen Augen.«
    Ren nickte.
    »Sie sind nicht von hier«, sagte Oliver. »Deshalb dachte ich, Sie könnten vielleicht mal einen Blick in die Akte werfen. Ich würde gerne wissen, was Sie davon halten.«
    »Haben Sie sich die Akte denn nicht angeschaut?«
    »Interessenkonflikt.«
    »Ich weiß nicht, ob es angebracht ist, dass ich sie mir anschaue. Ich bin hier, um im Mordfall Jean Transom zu ermitteln …«
    »Ich weiß. Die Tote vom Quandary Peak. Spurlos verschwunden. Genau wie dieser Wilson vor einem Jahr. Das war das einzige andere Verbrechen in dieser Gegend – falls es überhaupt eins war. Wäre es nicht vielleicht doch interessant, wenigstens mal einen Blick in die Akte zu werfen?«
    Ren überlegte kurz. »Also gut. Aber mehr kann ich nicht für Sie tun.«
    »Vielen Dank«, sagte Haggart. »Das ist sehr nett. Meine Mutter ist seit ein paar Tagen völlig durcheinander.«
    Bei dieser letzten Bemerkung sah Ren ein wenig Menschlichkeit in seinen Augen aufflackern. Sie nahm sich vor, nicht zu vergessen, dass Oliver Haggarts Job es mit sich brachte, diese Seite seines Charakters verbergen zu müssen.

27.
    Bob, der an seinem Schreibtisch saß, verdrehte dramatisch die Augen. Ren lächelte ihn an und behauptete ihren Standpunkt.
    »Zu uns kommen ständig Leute, die uns bitten: ›Schauen Sie sich dies oder das an, öffnen Sie diese oder jene Akte noch einmal‹«, sagte er. »Sie kennen das ja. Die Leute glauben, dass es genügt, sich zu wünschen, jemand sei ein guter Mensch. Wenn sie glauben, ihr Ehemann könne keine Frau vergewaltigen oder gar ermorden, dann muss es so sein. ›Bitte schauen Sie sich das noch einmal genau an. Ich kann einfach nicht glauben, dass XY fähig ist, einen Mord zu begehen. Sie haben den falschen Mann, die falsche Frau, den falschen Jugendlichen!‹ Es sind immer die Falschen, auch wenn sie allesamt Psychopathen sind.«
    »Kommen Sie, Bob, dieser Fall liegt anders«, sagte Ren. »Es ist kein nachgewiesener Mord. Ich meine, wir haben keine Leiche. Vielleicht ernährt sich der Quandary Peak von Leichen. Vielleicht sind wir mitten in einem Roman von Stephen King.«
    »Ja. Sie« , sagte Bob.
    Ren lächelte.
    »Denken Sie an den Mann, der Sie angesprochen hat. Ollie Haggart ist neunundzwanzig, ein frisch gebackener Anwalt.« Bob zeigte auf das Gerichtsgebäude. »Das ist alles. Und sein Familienname.«
    »Das ist ziemlich hart«, sagte Ren. »Wenn es einer meiner Brüder wäre …«
    »Ich wette, Ihre Brüder sind älter.«
    »Ja. Woher wissen Sie das?«
    »Frauen, die ältere Brüder haben, sind anders. Sie lassen sich von Männern nichts gefallen. Leider hat meine Frau auch ältere Brüder.«
    »Aber zum Glück hat sie einen sehr netten Mann.«
    Bob blickte sie an.
    »Warum schauen Sie mich so an? Das ist mein Ernst.«
    »Danke, sehr nett.«
    Ren lächelte, während Bob ein paar Unterlagen auf seinem Schreibtisch hin und her schob.
    »Jedenfalls war Terrence Haggart in der ganzen Stadt als Unruhestifter bekannt«, fuhr er fort. »Vor allem bei älteren Leuten. Wir mussten ihn mehrmals mit aufs Revier nehmen. Bei der Polizei in Breckenridge ist er ein guter Bekannter. Deshalb wies der Pfeil der Verdächtigungen in seine Richtung. Und unsere gute Casey Bonaventure, die Reporterin? Die Leute hier interessiert es jedenfalls nicht die Bohne, dass Mark Wilson verschwunden ist – meine Güte, selbst seine eigene Familie interessiert es kaum –, aber sie wollen nicht, dass ihre Kinder sich mit Haggart herumtreiben. Terrence Haggart ist ein Loser, aber

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