Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)
du schon? Vielleicht bin ich auch nur mit ihr zusammen, um dich zu ärgern. «
Ich hätte ihr am liebsten die Wahrheit über ihn erzählt, aber dann hätte sie nicht mehr angerufen.
Die Yakuza stecken Perlen in ihre Penisse, für jedes Jahr im Gefängnis eine. Sie machen mit einem Bambusrohr einen Schnitt in die Penishaut und drücken die Perle hinein. Das muss entsetzlich wehtun. Im Vergleich dazu kann es nicht allzu schlimm sein, drei kleine Kiesel unter die Haut meines Beins zu schieben.
Auf dem Rücksitz von Großvaters Wagen krempele ich die Jeans an meinem linken Bein bis über die Knie hoch. Ich war im Supermarkt und habe alles gekauft, was ich meiner Meinung nach dafür brauche, und kippe jetzt auf dem Parkplatz den Inhalt der Einkaufstüte auf den Sitz. Zunächst rasiere ich eine Stelle an meiner Wade im Durchmesser von zehn Zentimetern mit einem Einmalrasierer und gieße Wasser aus der Flasche darüber. Es geht nur mühsam, weil ich einen Billigrasierer genommen habe. Am Ende ist meine Haut gerötet und blutet aus winzigen Schnitten.
Ich habe vergessen, etwas zu kaufen, womit ich größere Mengen Blut wegwischen kann. Ich ziehe mein Hemd aus und drücke es auf die Haut, ohne den Schmerz zu beachten. Ich habe eine Flasche mit Wasserstoffperoxid zum Desinfizieren dabei, aber ich benutze das Zeug nicht. Vielleicht bringe ich es nach der Prozedur über mich, aber im Augenblick tut mir das Bein schon weh genug.
Als ich eine Rasierklinge aus der Schachtel nehme, schaue ich schuldbewusst aus dem Autofenster. Ganze Familien laufen über den Parkplatz, die Kinder werden in den Einkaufswagen geschoben und Männer tragen Tabletts mit Kaffeebechern. Nicht gucken, bitte ich sie in Gedanken und ziehe die scharfe Klinge über mein Bein.
Sie schneidet so leicht, dass es kaum wehtut, und ich bekomme es mit der Angst zu tun. Ich spüre nur ein scharfes Stechen und ein seltsames kühles Gefühl an den Gliedern. Sogar meine Haut scheint überlistet zu werden, denn für einen kurzen Moment ist nur eine Linie an meinem Bein zu sehen. Dann erblüht das Blut entlang des Schnitts, erst nur tropfenweise, dann in einem langen roten Band.
Der schlimmste Teil kommt erst noch. Ich muss die Kiesel hineinschieben. Es fühlt sich an, als würde ich mir persönlich die Haut abreißen, als ich die drei Steinchen in die Wunde drücke– für jedes Jahr, in dem ich mich für einen Mörder hielt, eins. Bei jedem einzelnen ist der Schmerz so schlimm, dass ich mich beinahe erbrechen muss, als ich den Faden in die Nadel zwirbele, mich über mein Bein beuge und zwei schreckliche, schlampige, schmerzhafte Stiche mache.
Ich werde nach Hause fahren und Lila holen und mit ihr so weit wie möglich wegfahren. Wir könnten nach China gehen und jemanden suchen, der sie wieder in ein Mädchen verwandelt. Oder ich bringe sie zu ihrem Vater und erkläre ihm alles. Auf jeden Fall geht es heute Abend nochlos.
Bei meiner Suche nach dem Gedächtniswerker bin ich nicht weiter als vor meinem Besuch bei Crooked Annie, aber ich war mir noch nie so sicher, dass mich jemand bearbeitet hat. Ich tippe auf Anton, da er mit Philip und Barron irgendwas ausheckt. Ich dachte immer, Anton wäre ein Glückswerker, aber vielleicht hat er in meinem Kopf irgendwas getrickst, damit ich das denke. Wenn er der Gedächtniswerker ist, hat er Barrons Schädel jedenfalls ordentlich durcheinandergebracht.
Und Philip sieht einfach nur zu.
Ich betrachte das schäumende Wasserstoffperoxid und tröste mich damit, dass es völlig in Ordnung ist, wenn mir jetzt schwindelig wird und meine Hände zittern. Denn es ist vorbei– ich habe es geschafft. Kein Mensch wird mich jemals wieder dazu bringen, auch nur ein Ding auf dieser Welt zu vergessen. Nie wieder.
Das Scheunentor steht offen, als ich in der Einfahrt des alten Hauses aus dem Auto steige. Ich laufe hin und schaue hinein. Keine Fallen, keine Katzen, keine leuchtenden Augen im Dunkel.
Ich starre in die Scheune und versuche zu verstehen, was passiert ist. Dann renne ich ins Haus und reiße die Tür auf.
» Wo sind die Katzen? « , brülle ich.
» Dein Bruder hat das Tierheim angerufen « , sagt Großvater und schaut von einem Stapel mottenzerfressener Bettlaken auf. » Sie waren heute Nachmittag da. «
» Und was ist mit der weißen Katze? Mit meiner Katze? «
» Du weißt doch genau, dass du sie nicht behalten kannst « , sagt er. » Ist doch besser, wenn andere Leute richtig für sie sorgen. «
» Wie konntest du das tun?
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