Weißer Fluch: Band 1 (German Edition)

Kleinigkeiten konzentriere, schaffe ich es vielleicht, nicht durchzudrehen.
    » Er schützte Rasputin nicht nur vor zahlreichen Mordanschlägen, sondern wurde danach noch von anderen Leuten getragen. Berichten zufolge gab es Attentäter, die im entscheidenden Augenblick die Pistole nicht entsichert hatten oder auf mysteriöse Weise das Gift in ihrer eigenen Tasse wiederfanden. Dreimal wurde unter den verschiedensten Umständen auf Zacharov geschossen, aber die Kugeln gingen alle daneben. Niemand kann den Träger des Auferstehungsdiamanten töten. «
    » Ich dachte, das wär nur eine Legende « , sage ich.
    » Jetzt ist er auch noch ein Experte « , meint Anton.
    Doch Barrons Augen glänzen. » Ich forsche schon sehr lange über den Auferstehungsdiamanten. «
    Allerdings ist fraglich, an wie viele seiner Forschungsergebnisse er sich überhaupt erinnern kann. Vielleicht hat er ja nur noch diese paar Sätze drauf. Möglicherweise hat er keinen Katalogtext zitiert, sondern eine Eintragung in seinem Notizbuch.
    » Wie lange laufen diese Forschungen schon? « , frage ich.
    Jetzt wird er wirklich sauer. » Sieben Jahre. «
    Philip kann sich ein spöttisches Schnauben nicht verkneifen.
    » Das heißt, du hast schon damit angefangen, bevor Zacharov den Diamanten hatte? «
    » Ich habe ihm doch erst davon erzählt. « Barron setzt eine entschlossene Miene auf, aber ich sehe die Angst in seinen Augen. Er lügt, würde es jedoch nie zugeben. Kein Beweis der Welt brächte ihn dazu, von seiner Version abzuweichen. Sonst müsste er eingestehen, wie viele Erinnerungen ihm bereits fehlen.
    Philip und Anton kichern, weil auch sie wissen, dass er lügt. Es ist ein bisschen wie früher, als wir die Sommerferien bei den Großeltern in Carney verbrachten und alle zusammen ins Kino gingen. Wider besseres Wissen entspanne ich mich in der vertrauten Situation.
    » Ich hab mich also wirklich breitschlagen lassen mitzumachen? « , frage ich.
    Sie lachen noch mehr.
    Jetzt muss ich sehr vorsichtig vorgehen. » Wenn der Auferstehungsdiamant einen Anschlag verhindern soll,wieso seid ihr dann so sicher, dass ich es trotzdem schaffe? «
    Offenbar geht die Frage noch als glaubhaftes Zögern oder verständliche Unkenntnis durch. Anton grinst mich über den Rückspiegel an. » Mit einem Todesfluch hat das nichts zu tun. Der Stein mag beschaffen sein, wie er will, deiner Art von Magie kann er nicht standhalten. «
    Meiner Art von Magie.
    Herz zu Stein.
    Ich? Ich bin der Verwandlungswerker?
    Wer hat dich verflucht?, habe ich die Katze in meinem Traum gefragt.
    Du.
    Ich glaube, mir wird schlecht. Nein, ich weiß es. Ich kneife die Augen zusammen, lege den Kopf an die kalte Scheibe und kämpfe gegen den Brechreiz an.
    Er lügt. Er lügt, es kann gar nicht anders sein.
    » Ich bin– « Der Rest bleibt mir im Hals stecken.
    Ich bin ein Fluchmagier. Ich bin ein Fluchmagier. Ich bin ein Fluchmagier.
    Der Gedanke titscht in meinem Kopf herum wie ein wild gewordener Flummi. Ich kann ihm nicht entkommen.
    Ich dachte immer, ich würde alles dafür geben, ein Fluchwerker zu sein, aber das hier fühlt sich an wie eine gemeine Entweihung meines Kindheitstraums.
    Wenn man schon so tut als ob, kann man auch gleich behaupten, man könnte die seltensten Flüche mit links, oder nicht?
    Außer dass ich nicht mehr so tue als ob, könnte man einwenden.
    » Geht es dir nicht gut? « , fragt Barron.
    » Doch, doch « , antworte ich schwach. » Es geht mir bestens, bin nur ein bisschen müde. Es ist echt spät. Und mein Kopf macht mich fertig. «
    » Wir machen gleich eine Kaffeepause « , sagt Anton.
    Als es so weit ist, schütte ich mir den halben Becher über mein T-Shirt. Das Brennen der heißen Flüssigkeit ist das Erste, was sich wieder halbwegs normal anfühlt.
    Der Eingang zum Restaurant– Koshchey’s– ist übertrieben dekoriert, wie aus einer anderen Zeit. Die Tür ist aus einem hellem Messing, das aussieht wie Gold, flankiert von Feuervögeln aus Stein mit hellblauen, orangefarbenen und roten Federn.
    » Sehr geschmackvoll « , sagt Barron.
    » Hey « , sagt Anton. » Es gehört der Familie. Ein bisschen mehr Respekt. «
    Barron zuckt die Achseln. Philip schüttelt den Kopf.
    Auf dem Bürgersteig herrscht diese eigenartige Stille, die nur sehr früh morgens vorkommt, und in dieser Stille erscheint mir das Restaurant irgendwie majestätisch. Vielleicht habe ich keinen Geschmack.
    Anton schließt die Tür auf. Wir betreten einen dunklen Raum.
    » Bist du sicher,