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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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Hotelbesitzer, der sich jede Woche in den südlichen Sudan begab, zum nächsten Flugzeug weitergeleitet. In dem Umschlag befanden sich bis zu zehn oder zwölf engbeschriebene Bogen. Graux benutzte erst gewöhnliches Briefpapier, aber seine Mutter hatte ihm erklärt, daß sie oft bis zu fünfzehn Francs Porto nachzahlen mußte, und sie hatte ihm ein ganzes Ries Luftpostpapier zugeschickt.
    » Camille ist verstimmt …«
    Als er einmal in vertrautem Gespräch mit seiner Mutter zusammensaß, hatte er versucht, ihr diesen Satz zu erklären, der in seinen Briefen immer wiederkehrte. Wochenlang war Camille völlig ausgeglichen, gab sich Mühe, es Ferdinand in allem recht zu machen, jeden Ärger von ihm fernzuhalten.
    Doch eines schönen Morgens ging er mit finsterer Miene umher, sagte kaum guten Tag, und sein Blick wirkte geradezu hinterhältig.
    »Ich glaube, in diesen Momenten ist er eifersüchtig«, hatte Ferdinand dazu gesagt.
    Mutter und Sohn konnten sich alles anvertrauen. Schon immer hatten sich die beiden im Haus besonders eng zusammengeschlossen. Wie Ferdinand setzte auch Madame Graux nie einen Fuß ins Geschäft, und in den großen dunklen Räumen des Obergeschosses hatte sie so etwas wie einen Kreis des Schweigens um sich geschaffen.
    »Warum sollte er denn eifersüchtig sein?«
    Er war eben eifersüchtig! Es war unfaßbar, und doch war es so. Ferdinands erste Haushälterin, die inzwischen verheiratet war und zwei Kinder hatte, hieß Maligbanga. Ferdinand hatte sie aufs Geratewohl eingestellt, denn sie war nicht hübscher als die anderen.
    Doch schon nach kurzer Zeit war er gewahr geworden, daß Camille sich in sie verliebt hatte. Dabei konnte er sich jedes beliebige Mädchen aus den umliegenden Dörfern aussuchen, aber nein: ausgerechnet Maligbanga mußte es sein.
    Als seine erste Haushälterin geheiratet und Ferdinand die junge Baligi in den Bungalow aufgenommen hatte, träumte der närrische Camille nur noch von Baligi.
    Das war keine schicksalhafte Fügung mehr. Er war einfach unfähig, selbst zu wählen! Vielleicht neigte er auch dazu, sich selbst zu quälen.
    Tagelang dachte er überhaupt nicht daran. Doch plötzlich flammte die Leidenschaft in ihm wieder auf, und man sah ihm an, daß er litt. In seinen Briefen faßte Graux diesen Zustand in einem Satz zusammen: » Camille ist verstimmt. «
    Die Bogen, die er jetzt unter dem Löschblatt seiner Schreibunterlage hervorzog, hatte er vor seiner Abreise nach Europa beschrieben. Er hatte sie nicht abgeschickt, weil sie gleichzeitig mit ihm in Frankreich angekommen wären.
    28. Februar. – Endlich habe ich den Leoparden erlegt. Um ihn auf Schußweite heranzulocken, habe ich einen Hund auf der Barza angebunden. Ich hätte das Fell gern nach Hause gebracht, aber in ihrer Freude über den Tod des Erzfeindes haben die Schwarzen es mit ihren Spießen durchlöchert.
    Ich muß das Dach der Krankenstation erneuern. Noch besser wäre ein doppeltes Dach …
     
    Die Briefe an seine Verlobte waren kürzer, denn er hatte ihr ein für alle Mal klargemacht:
    »Einzelheiten kannst du von meiner Mutter erfragen …«
    In seinen neuen Aufzeichnungen schrieb er:
     
    Ich habe die Reise zusammen mit einem Ehepaar gemacht, das allein mehr Staub aufwirbelte als alle Flugzeuginsassen zusammen. Der Ehemann ist ein belgischer Beamter. Er arbeitet erst seit drei Jahren im Kongo, doch seine Leber ist bereits angeschlagen. Seine Frau wird ihm, obwohl sie keineswegs bösartig ist, das Leben hier zur Hölle machen. Er bekommt es schon zu spüren, bevor sie noch an Ort und Stelle sind. Mit den Frauen sollte man in Afrika sehr vorsichtig sein. Neben diesem Ehepaar, das sich sehr auffällig benahm, wirkte ich geradezu wie ein Engländer.
     
    Weiter unten hieß es:
     
    18. Mai. – Du hast sicher in den Zeitungen gelesen, daß Lady Makinson und Captain Philps auf einer Afrikatour in ihrem Privatflugzeug verschwunden sind. Ich habe sie bei mir zu Hause vorgefunden, und Lady Makinson, deren Knie luxiert ist, liegt in meinem Bett. Sie scheinen diese Situation ganz natürlich zu finden.
     
    Am Tag darauf notierte er:
     
    19. Mai. – Ich hab dir doch von dem jungen Beamtenehepaar erzählt. Die Frau namens Yette, die am Boulevard Beaumarchais geboren ist, hing förmlich an meinen Lippen und plagte ihren Mann mit ihrem ständig wiederkehrenden:
    › Hast du gehört, Georges?‹
    Er ärgerte sich darüber, aber genau wie seine Frau war er sich seiner Inferiorität bewußt, die vor allem auf seine

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