Weißer Mann mit Brille
auf die Fensterbank. Unvermittelt rauschte feiner, milder Sommerregen durch den stillen Abend, und alle Fenster des Viertels wurden gleichzeitig geschlossen.
»So antworten Sie doch!«
Lady Makinson hob müde die Schultern. Auch in Afrika war es Abend, ja bereits schon Nacht. Sie saßen in bequemen Sesseln auf der Veranda. Wegen der Insekten hatte man die Lampen gelöscht. Der gewaltige Himmel erstrahlte im Mondlicht, bizarr geformte Wolken zeichneten sich als düstere Kontinente gegen sein wasserklares Blau ab.
Auf dem Hügel unterschied man nur den einsamen Kapokbaum, der seine letzten Blätter verloren hatte. Dann und wann drang aus der Ferne das dumpfe Trommeln der Tamtams zu ihnen. In der Nähe vernahmen sie oft ein leises Rascheln, wenn ein Schwarzer oder ein Tier durch die Nacht huschten.
»Was wollen Sie bloß wissen?«
»Was Sie zu Philps gesagt haben …«
Sie seufzte. Was sollte diese sinnlose Fragerei?
»Geben Sie es doch zu: Er weiß alles!«
»Mein Gott, was alles?«
»Daß Sie meine Geliebte sind …«
Sie war nahe daran, ernstlich böse zu werden. Mit einer Schärfe, die mehr als Ungeduld verriet, entgegnete sie:
»Aber ich bin doch überhaupt nicht Ihre Geliebte! … Das Wort ist einfach widerwärtig! … Ich bin frei, und Sie sind frei …«
Er aber ließ sich nicht davon abbringen. Dumpf und leidenschaftlich kam seine Stimme aus dem Dunkel:
»Nein!«
»Ferdinand, lassen Sie mich jetzt bitte in Frieden. Ich bin ohnehin schon allzulange hiergeblieben …«
»Ich weiß genau, daß Sie Philps alles erzählt haben …«
Sie hüllte sich in Schweigen, und so hing jeder seinen Gedanken nach. Unbeweglich standen die silbergeränderten Wolken am Himmel.
Lady Makinson hätte schon vor zehn Tagen zur Elefantenfarm fahren und dort die Tage in Gesellschaft des Majors und des Captains verbringen können. Jeden Abend kündigte sie ihre Abreise für den nächsten Tag an. Wie oft hatte sie nicht schon ihren Toilettenkoffer gepackt, um dann im letzten Augenblick unter Gähnen zu sagen:
»Fahren Sie zurück und legen Sie sich schlafen, Buddy! Kommen Sie morgen mit dem Auto wieder, dann fahre ich mit …«
Buddy aber schien nicht im geringsten eifersüchtig, was Ferdinand aus der Fassung brachte. Der Captain drückte ihm wie eh und je mit automatischer, ein wenig distanzierter Höflichkeit die Hand, und der Major benahm sich, als wüßte er von nichts.
Das war doch einfach ausgeschlossen! Lady Makinson hatte jetzt keinen Grund mehr, um bei Graux zu bleiben. Man hatte von London telegrafiert, daß der Propeller nicht vor einem Monat eintreffen würde. Das eine oder andere Mal hatte sie erwogen, das Flugzeug vorübergehend aufzugeben und mit den Imperial Airways nach Ankara zurückzufliegen.
»Was haben Sie ihm gesagt?«
Buddy legte nämlich ihm gegenüber nicht nur keine Eifersucht an den Tag, vielmehr schien er ihm seit einiger Zeit sogar Sympathie entgegenzubringen, die freilich mit etwas Ironie untermischt war.
Während der ersten Tage hatte er Ferdinand als nicht vorhanden betrachtet. Jetzt begann er das Gespräch, und oft redete er von Lady Makinson in einem Ton, der ein Dreiecksverhältnis, ein stillschweigendes Einverständnis voraussetzte.
»Wissen Sie, daß ihr Gatte ein bedeutender Mann ist?« sagte er zum Beispiel. »Er ist zwanzig Jahre älter als sie, aber in jeder Hinsicht ein echter Gentleman.«
Was wollte er damit zum Ausdruck bringen? Daß Sir James alles wußte und die Sache auf sich beruhen ließ? Oder wollte Philps sich als Zyniker aufspielen?
Ein andermal vertraute er ihm an:
»Wenn sie nach Opium verlangt (Sie wissen, im Flugzeug ist welches), dann dürfen Sie ihr keines geben … Seit zwei Jahren bemühe ich mich schon, sie von ihrer Sucht abzubringen … Früher habe ich sie oft bis zu fünfunddreißig Pfeifen am Tag rauchen sehen … Zum Glück hat sie eine eiserne Konstitution …«
Eines Morgens sagte er scheinbar obenhin:
»Ich habe noch nie erlebt, daß sie es so lange an einem Ort aushielt … Wissen Sie, warum wir bei unserer Bruchlandung hier keine ordnungsgemäßen Papiere hatten? Die Sache ist ganz einfach: Das Flugzeug wurde uns am Mittwoch in Port Said geliefert, und Lady Mary wollte nicht einmal bis Freitag warten … Am Donnerstag sind wir abgeflogen …«
Lady Mary … Auch er nannte sie jetzt so …
»Als sie noch ein junges Mädchen war, hat ihr Vater ihr jeden Wunsch von den Augen abgelesen … Ich kannte sie damals noch nicht, aber in England
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