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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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eleganter Toilette gesehen, die sie völlig verwandelte. Sie trug ein weißes Leinenkostüm, das sich auf einem Luxusstrand oder bei einer Überseereise großartig ausgenommen hätte, aber nicht so recht in den kongolesischen Busch paßte. Sie hatte schon ihre Handschuhe parat, redete hart und schnell, ohne ihren Blick auf einem Gegenstand verweilen zu lassen.
    »Es tut mir sehr leid, Sie auf diese Weise zu verlassen, Ferdinand, aber es geht nicht anders. Sie müssen mir versprechen, vernünftig zu sein. Ihre Verlobte wird ja bald hier eintreffen … Und ich werde in fünf oder sechs Tagen bei meinen Kindern sein …«
    Sie waren allein, dennoch blieb er an der Tür stehen, hielt den gebührenden Abstand.
    »Ich danke Ihnen nicht für Ihre Gastfreundschaft. Das klänge ja nach Ironie. Bestimmt sehen wir uns später einmal wieder, und ich hoffe, daß wir dann gute Freunde werden …«
    Er blieb stumm. Sie wagte ihn nicht anzusehen.
    »Haben Sie gehört, Ferdinand?«
    Mechanisch zog sie ihre Handschuhe an. Sie griff nach einem Buch über Kaffeeanpflanzung, in dem sie gerne gelesen hatte, legte es wieder hin und sagte scherzend:
    »Bei jedem Kaffee, den ich von nun an trinken werde, werde ich an Ihren Hügel und an den Wasserfall denken, an den Kopokbaum auf der Anhöhe, an die Elefanten … Auf Wiedersehen, Ferdinand! …«
    Mit einer direkten, präzise ausgeführten Bewegung reichte sie ihm die Hand. In ihrem weißen Leinenkostüm, das ihre Formen betonte, wirkte ihre ganze Person wie abgezirkelt …
    »Auf Wiedersehen, Talatala …«
    Er neigte sich über ihre Hand, um sie zu küssen, aber sie entzog sie ihm schnell, öffnete die Tür.
    »So, jetzt kommt!«
    Philps und der Major hielten jeder ein Glas Whisky in der Hand. Crosby sagte:
    »Wir übernachten sicher in Juba, wo wir unsere Freundin ins Flugzeug setzen. Morgen schauen wir wieder bei Ihnen vorbei. Dürfen wir Sie dann zum Mittagessen einladen?«
    Sie war schon auf der Barza … Sie ging zur Außentreppe … Sie hielt nach etwas Ausschau, sah Baligi einige Meter von ihr entfernt unter den Bananenstauden stehen, trat auf sie zu, öffnete ihre Handtasche, entnahm ihr ein paar Banknoten.
    Der Motor war bereits angelassen. Das Köfferchen aus Krokodilleder wurde neben dem Major abgestellt, der vor der Abfahrt noch einen Whisky haben wollte.
    »Wo ist Ferdinand?«
    Er stand oben auf der Veranda, trat einen Schritt vor. Philps schlug die Wagentür zu, winkte, und das Auto fuhr los.
    »… Talatala …« hörte er noch.
    Mit einem Ruck wandte er sich um, denn er hatte jemanden schniefen hören. Es war Camille, der verschämt, mit todunglücklichem Gesicht hinter ihm stand.
    »Was treibst du denn hier?«
    »Nichts … Ich …«
    Immer noch hörte man das Auto, das inzwischen hinter dem hohen Gras verschwunden war. Es mußte schon am Eingeborenendorf vorbeigefahren sein. Es bremste an der Stelle, wo die Straße ein Loch hatte.
    Graux setzte sich auf die Tischkante und sah Camille mit gerunzelten Brauen an.
    »Wenn ich gewußt hätte …«, stammelte Camille.
    »Was?«
    »Ich schwöre Ihnen, ich habe geglaubt …«
    »Du Dummkopf!« brummte Ferdinand.
    Der arme Kerl hatte immer noch ein schlechtes Gewissen, weil er mit Baligi geschlafen hatte.
    »Ist Benzin im Tank?«
    »Hundert Liter … Wollen Sie …?«
    »Ich weiß noch nicht … Laß mich jetzt allein … Hol schon einmal das Auto aus dem Schuppen … Und dann schau bitte nach den Elefanten …«
    Nachdem er das Auto vor den Hauseingang gefahren hatte, konnte Camille sich nicht dazu aufraffen, seiner Arbeit nachzugehen.
    »Was hab ich dir gesagt?« rief Ferdinand durch das Fenster.
    »Fahren Sie nach Niangara?«
    »Ja, das tu ich … Ich fahre nach Niangara … Vielleicht …«
    Das Fenster wurde geschlossen, und Camille erblickte an der Hausecke die kleine Baligi, die genau wie er keinen Blick von dem Auto ließ. Sie hielt eine Fünfpfundnote in der Hand, aber sie hatte sie vergessen und zerknüllte sie wie ein Taschentuch.

6
    Als das Auto zwei Tage zuvor in Bodi Station gemacht hatte, war noch kein Regen gefallen, doch Smith, der Hotelwirt, der das Wetter wie ein Bauer vorausspürte, hatte zu Major Crosby gesagt:
    »Ich rate Ihnen, sehen Sie zu, daß Sie schnell vorwärtskommen! Es sollte mich doch sehr wundern, wenn die Straße nach Munduo nicht in kürzester Zeit überflutet wäre.«
    Smith hatte sich bereits in der Gegend niedergelassen, als es weder Straßen noch Flugverbindungen gab. Wenn man nach Europa

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