Weißer Mann mit Brille
Was er nun sagte, faßte alle Gedanken zusammen, die ihm den Tag über durch den Kopf gegangen waren:
»Ferdinand hat sich nicht korrekt verhalten …«
Leichenblaß war er ganz kurz vor dem Start des Flugzeugs angekommen. Die Flugkarte hatte er sich in einer Agentur verschafft. Seine Haltung gab unmißverständlich zu erkennen, was er dachte:
›Hier bin ich, und nichts kann mich an der Abreise hindern!‹
Lady Makinson aber, die schon in der Maschine saß, gab vor, ihn nicht zu sehen!
Philps blickte zu dem Neuankömmling hinüber und fragte mit gedämpfter Stimme:
»Wer ist das?«
Crosby bedeutete ihm, daß jetzt nicht der Moment sei, um ihm zu antworten. Macassis und Smith schwatzten immer noch miteinander und bedienten sich auch weiterhin des Eingeborenendialekts. Man spürte, daß die beiden sich über das Wiedersehen freuten, und Smith, der ein Handtuch aus der Nickelkugel geholt hatte, nibbelte den nackten Rücken seines Freundes.
Macassis hatte außer seinen kurzen Hosen überhaupt nichts am Leibe. Er war hager und sehnig wie ein Araber. Er war von der Sonne gebräunt, und sein längliches Gesicht wurde von dichtem grauem Haar bekrönt.
Er stammte aus England und hatte auch einen durchaus englischen Namen, aber im ganzen Uele-Gebiet bis hinein nach Kenia nannte ihn alle Welt ›Macassis‹, was in etwa ›Kraftprotz‹ bedeutet.
Beim Betreten des Raumes hatte er Crosby gesehen, den er sehr wohl kannte, da er schon seit vierzig Jahren in der Gegend lebte.
Macassis war Ingenieur. Er hatte die Goldminen von Watsa entdeckt, wo er immer noch die Mehrheit der Aktien besaß.
»Ferdinand hat sich entschieden unkorrekt verhalten!« wiederholte Crosby und schenkte sich mit dem ihm eigenen Phlegma zu trinken nach. Not a gentleman!
Auch Macassis war kein Gentleman, deshalb grüßten die beiden Männer einander nicht. In London hatte er eine Frau. Er schickte ihr viel Geld, aber in Afrika lebte er mit Negerinnen zusammen. In den meisten Dörfern hatte er eine Frau, die er ostentativ in seinem lächerlichen Auto spazierenfuhr.
Not a gentleman …
»Hab ich’s Ihnen nicht gesagt, meine Herren!« rief Smith und wandte sich Philps und Crosby zu. »Die Straße ist genau an der Stelle, die ich Ihnen angegeben habe, unpassierbar. Macassis kommt gerade von dort. Er kam gerade noch durch, doch das Wasser stand ihm bis an die Kotflügel …«
Macassis, der es sich inzwischen in einem Korbsessel bequem gemacht hatte, trank Wasser. Es war stickig im Raum, doch dann und wann wehte ein kühlender Luftzug herein. Man hörte das Lärmen des Motors, der den Strom erzeugte. Wie die Weißen hatten auch die schwarzen Boys sich hingesetzt, wenn auch ein wenig abseits, denn im Augenblick gab es für sie nichts zu tun.
»Sie sind mir vorhin die Antwort schuldig geblieben. Möchten Sie nun ein Perlhuhn oder nicht?«
»Nein«, sagte Crosby hart, »Eier, Schinken und Bier!«
Er kannte die Küche, wo Smith persönlich wirtschaftete, und sie war nicht eben von vorbildlicher Sauberkeit.
Schon seit zehn Minuten herrschte absolutes Schweigen. Alle waren ein wenig schläfrig und lauschten auf das Gepladder des Regens. Plötzlich wurde der Wirt durch ein Motorengeräusch – es kam nicht vom Generator – aufgeschreckt. Er war so überrascht, daß er zuerst durch den Vorhang nach draußen blickte. Er sah das Licht zweier Scheinwerfer und öffnete die Tür.
»Treten Sie ein, Madame …«, sagte er, trat zur Seite. Eine junge, in einen Regenmantel gehüllte Frau rannte in den Raum.
Sie war völlig durchnäßt. Das Wasser war durch das Autodach gesickert. Während sie sich aus dem Gummimantel schälte, blickte sie alle der Reihe nach an. »Stimmt es, daß wir nicht weiterfahren können?« fragte sie schließlich.
Ein Mulatte mit einem rot- und grüngemusterten Pullover, eine weiße Leinenmütze auf dem Kopf, war hinter ihr eingetreten und schloß die Tür.
»Ich habe ihr klargemacht, daß man bei diesem Regen in der Dunkelheit nicht weiterfahren kann«, sagte er. »Wie geht’s, Smith?«
Auch er war hier bekannt. Er besaß ein altes Auto, in dem er die Flugpassagiere, die in Juba ausstiegen, beförderte.
»Haben Sie noch weit zu fahren?«
»Bis zur Plantage von Monsieur Graux … Laut Karte bleiben noch etwa zwei- bis dreihundert Kilometer …«
»Nur ist die Straße unpassierbar«, verkündete Smith.
»Ach!«
»Außerdem ist Ferdinand gestern nach Europa geflogen.«
Alle musterten sie heimlich, vor allem Philps. Sie
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