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Weißer Mann mit Brille

Weißer Mann mit Brille

Titel: Weißer Mann mit Brille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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wollte, mußte man den tropischen Regenwald bis Stanleyville durchqueren, dann fuhr man auf einem kiellosen Schiff von der Art der Mississipi-Dampfer den Kongo hinunter. Für die Reise nach Antwerpen brauchte man etwas über drei Monate. Die Route über den Sudan und Ägypten nahm noch mehr Zeit in Anspruch, zudem war es auf dieser Strecke besonders heiß.
    Das war inzwischen anders geworden: Crosby und Philps hatten Lady Makinson in wenigen Stunden nach Juba gebracht, wo sie übernachteten, um ihr bis zum Abflug Gesellschaft zu leisten. Sie machten den Fehler, ausgiebig zu Mittag zu essen und erst spät von Juba aufzubrechen. Als sie an die Grenze kamen, war es schon dunkel und alle Schleusen des Himmels hatten sich geöffnet.
    »Hab ich’s Ihnen nicht prophezeit?« rief Smith triumphierend, als sie in sein Hotel traten. »Ich gehe jede Wette ein, daß die Straße morgen am Leopardensprung unpassierbar ist, und bei diesem Wetter können Sie nachts nicht fahren …«
    »Bringen Sie uns trotzdem einen Whisky«,, brummte Crosby.
    Das Hotel von Monsieur Smith hatte nicht das geringste mit den englischen Palästen im Sudan gemein. Die Einfahrt führte durch einen Park, der schon deshalb so wohltuend auf das Auge wirkte, da die Erde wie im ganzen Uele-Gebiet rot war, so daß die Grünpflanzen besonders reizvoll zur Geltung kamen. Inmitten von Blumenbeeten erhob sich das mittlere einstöckige Gebäude, das einen weitläufigen Speisesaal, eine Art Lesezimmer und die Küche beherbergte.
    Die Gästezimmer befanden sich in kleinen, ringsherum verstreuten Bungalows.
    Hier herrschte keinerlei Luxus, vielmehr eine freundliche, spezifisch belgische Atmosphäre, ja sogar eine gewisse Schlamperei, und im Unterschied zum südlichen Sudan waren die Boys, die zur Familie gehörten, ganz in Weiß gekleidet und lächelten einen mit blitzenden Zähnen an.
    Smith empfing seine Gäste nicht als Kunden, sondern als alte Freunde, er mischte sich lautstark in die Unterhaltung, hielt nicht mit seiner Meinung hinter dem Berg.
    »Soll ich Ihnen ein Perlhuhn braten lassen? Eben habe ich vier Stück geschossen, die vor meiner Nase über die Straße spazierten.«
    Crosby, gleichgültig ob er sich zu Hause oder auf Reisen befand, ob fünfzig Grad im Schatten herrschten oder Wolkenbrüche herunterprasselten, blieb sich immer gleich: gebräuntes Gesicht, glänzend weißes Haar, kein Stäubchen auf seinem Anzug, die seidene Krawatte sorgfältig geknüpft, von Kopf bis Fuß ein Gentleman.
    Er trug fast immer khakifarbene, ins Grünliche spielende Gamaschen, und behauptete, daß ein Gentleman niemandem die Sorge für seine Schuhe anvertrauen dürfe, die immer auf Hochglanz poliert waren. Hörte er Smith überhaupt zu? Er gab sich zumindest den Anschein, da seine Augen auf ihn gerichtet waren. Aber es war durchaus möglich, daß er nur auf den Moment wartete, da der Belgier ihn in Frieden lassen würde.
    »Ist übrigens Ihr Freund rechtzeitig angekommen?« fragte der Wirt, die Hände auf die Tischkante gestützt. »Plötzlich tauchte er in einem Mordstempo hier auf. Erst dachte ich, es sei ein Unglück passiert, so erregt wirkte er. Er hat seinen Wagen vollgetankt, kaum ein Wort mit mir gewechselt und ist nach Juba weitergefahren … Ich hab ihm zugerufen: ›Wollen Sie mit dem Flugzeug verreisen?‹ … Und er hat irgend etwas gebrummelt, so etwas wie: ›Weiß nicht …‹«
    »Er ist abgeflogen«, ließ sich Philps vernehmen, der sich Selterswasser einschenkte.
    »Ist ein Angehöriger von ihm erkrankt?«
    Crosby blickte in eine andere Richtung, ohne sich seine Gereiztheit anmerken zu lassen. Sicher hätte er das Gerede von Smith noch lange ertragen, wenn sich nicht plötzlich die Tür geöffnet hätte. In der Dunkelheit war ein uraltes Vehikel mit blinkenden Scheinwerfern zu erkennen, das bis zur Außentreppe vorgefahren war. Der Wagen stammte sicher noch aus der Vorkriegszeit, und die Kühlerhaube ähnelte mehr der eines Fiakers als der eines Automobils.
    »Hello, Smith!«
    »Hello, Macassis!«
    Ein Boy, der den Ankömmling gut zu kennen schien und ihn freudig begrüßte, fragte ihn kurz etwas, rannte dann zum Auto, das er in die Garage fuhr.
    Major Crosby schlug die Beine übereinander, wechselte gleich wieder die Stellung, wandte sich ein wenig zur Seite, um den neuen Gast nicht im Blickfeld zu haben. Damit es nicht so aussah, er wolle das Gespräch mitanhören, das die beiden Männer auf Bengala miteinander führten, richtete er das Wort an Philps.

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