Weißer Mond von Barbados
Loder.
Er hatte Melone und gebackenes Huhn bestellt. Er mochte die riesigen amerikanischen Steaks nicht, die sich über den ganzen Teller ausbreiteten. Fergus aß Hummersalat und eine Omelette.
»Eine ziemlich seltsame Geschichte ist das«, sagte Stephenson in nebensächlichem Ton.
»Das ist sehr milde ausgedrückt«, erwiderte Loder und löffelte grimmig seine Melone aus. »Das ist der größte Reinfall meines Lebens. Und es ist meine Schuld.«
»Oh«, machte Fergus bedauernd. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Können Sie mir erzählen, was geschehen ist?«
»Warum nicht?« Es sah aus, als sei Loder ganz froh, darüber sprechen zu können, dankbar für das Interesse und die Sympathie des Gesandten.
»Ich habe es von Anfang an falsch verstanden. Sverdlov wollte keineswegs Mrs. Farrow anwerben. Er wollte zu uns herüberkommen. Es war alles bestens vorbereitet, sie fuhren zusammen nach Barbados, als Tarnung gewissermaßen. Von dort sollte er nach England geflogen werden.«
»Großer Gott!« sagte Fergus.
»Er war der Oberste von den Russen hier. Es wäre eine phantastische Sache gewesen, der größte Erfolg meines Lebens. Aber jemand muß ihn verraten haben. Sie waren bereits auf der Insel und haben ihn fertiggemacht.«
»Und wie kam es zu dem Brand? War es ein Unfall?«
»Unfall!« Loder gab ein böses, bitteres Lachen von sich. »Man kann kaum von Unfall sprechen, wenn es sich um Napalm handelt.«
»Napalm?« Fergus schauderte. Er wünschte, Loder hätte ihm das nicht erzählt. »Das kann ich mir nicht vorstellen. Was ist mit dem Mädchen?«
»Brandwunden«, sagte Loder. »Ein Wunder, daß sie es überlebt hat. Sie hatte insofern Glück, daß sie oben in dem Zimmer war, man konnte sie durchs Fenster rausholen.«
»Und wo war Sverdlov?«
»Na, unten. Er hatte nicht die geringste Chance. Napalm ist schon schlimm genug im Freien. Jetzt stellen Sie sich vor, was in einem geschlossenen Raum damit passiert …«
»Ich möchte es mir lieber nicht vorstellen.« Fergus nahm einen Schluck von seinem Wein. »Eine schreckliche Sache.«
Er sah ganz blaß aus.
»Sie haben mal gesagt, es sei ein schmutziges Geschäft«, bemerkte Loder. Er aß – doch ohne Appetit. »Das ist durchaus richtig ausgedrückt. Ich muß nächstens Mrs. Farrow besuchen, ich glaube, ich bin es ihr schuldig. Nicht, daß ich mich darum reiße.«
»Sie haben Ihr Bestes getan«, sagte Fergus. »Es war nicht Ihre Schuld.«
»Vielleicht erzählen Sie das mal meinem Chef«, sagte Loder. »Das Hühnchen ist gut, wirklich.«
»Ja, man isst hier gut, das stimmt.« Auch Fergus wollte über den üblen Fall nicht mehr sprechen.
Sie saßen etwa zwei Stunden zusammen, sprachen über Bücher und eine moderne Kunstausstellung, die viel widerspruchsvolle Meinungen hervorgerufen hatte. Verlegen sagte Loder, daß er diese Ausstellung gern einmal besuchen wolle. Das hätte er auch vor, meinte Stephenson, und sie vereinbarten schließlich einen Tag, an dem sie zusammen nach New York fliegen würden.
Fergus kehrte sehr zufrieden in sein Büro zurück. Er konnte beruhigt sein, alles war erledigt. Und er mochte Loder wirklich. Schade, daß er mit diesem Fall Ärger gehabt hatte. Er ließ seine Sekretärin kommen und begann zu diktieren. Alle Angst war vergangen, die Gefahr gebannt, sein Kopf war klar, seine Energie kehrte zurück.
Sverdlov war tot. Und was er von ›Blau‹ gewußt hatte, war mit ihm gestorben. Napalm in ein Haus! Daran durfte er nicht mehr denken. Das vergaß man besser. Er hatte vieles vergessen müssen im Laufe seines Lebens. Man durfte sich niemals mit Vergangenem belasten. Nur die Gegenwart war wichtig.
Die ganze Affäre war abgeschlossen. Er würde nicht einmal Margret davon erzählen. Sie hatte die ganze Sache nie mehr erwähnt, und er war sicher, daß sie es in Zukunft nicht tun würde. – Ihr würde es am liebsten sein, das alles zu vergessen. Genau wie er jetzt vergessen konnte. Er war in Sicherheit. Die Gefahr war vorüber.
Das Zimmer im St. Patricia-Hospital war ruhig und kühl. Drei Wochen lang hatte Judith nun von ihrem Fenster aus immer dasselbe gesehen – ein Stück Garten mit einem tiefgrünen Rasen, der sorglich jeden Tag gesprengt wurde, ein breites ordentliches Beet mit karmesinroter Callas, ein herrlich blühender Busch, dessen Namen sie nicht kannte, doch der Duft seiner Blüten kam manchmal wie eine Woge zum Fenster hereingeweht.
Seit sie aufstehen konnte, sah sie auch ein Stück vom blauen Meer, das im
Weitere Kostenlose Bücher