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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Flammen verbrannt. Genügt das nicht?«
    »Es ist nur schade, daß Sie in diese ganze Sache hineingeraten sind. – Aber wie ich gehört habe, sind Sie bald wieder ganz gesund. Es ist alles gut geheilt. Sie kehren demnächst in die Staaten zurück, hat man mir gesagt.«
    »Ja«, antwortete Judith. Sie lehnte sich in ihren Stuhl zurück. Sie war erschöpft. Er sollte gehen, sie wollte nicht mit ihm sprechen.
    »Bitte«, sagte sie, »wenn Sie nur ein wenig Taktgefühl haben, dann lassen Sie mich jetzt allein.«
    »Okay«, sagte er und drückte seine Zigarette aus. Er kam zu ihr, tippte sie leicht auf die Schulter. »Übrigens … ich habe Ihnen etwas mitgebracht. Hier.«
    Es war ein verschlossener Umschlag. Sie öffnete ihn mit widerwilligem Gesicht. Etwas rollte heraus und fiel auf ihren Schoß. Judith nahm es in die Hand. – Ein schwarzes, schmales Ding, glänzend und trocken.
    »Wo haben Sie das her?«
    »Er sagte, Sie würden wissen, was das ist.«
    Loders Stimme klang wie aus weiter Ferne.
    »Es ist eine trockene Tamarindenfrucht. Wo haben Sie das her?« Ihre Stimme war nur ein heiseres Flüstern. Ihr Gesicht war schneeweiß.
    »Ein Freund von Ihnen in London hat mir's gegeben.«
    Das hässliche Gesicht mit all seinen Falten war unbeweglich, mürrisch wie immer. Judith kam es vor, als hätte sie noch nie ein so schönes Gesicht gesehen. »Um Gottes willen! Sie reißen mir ja alle Knöpfe ab, nehmen Sie sich doch zusammen!«
    »Ein Freund? Was für ein Freund?« flüsterte Judith. »Ein Freund in London … Es gibt nur einen Menschen auf der Welt, der mir das schicken könnte …«
    »Eben«, sagte Loder.
    Er trat vorsorglich zurück und zündete sich eine neue Zigarette an. – »Ich hab' Ihnen doch gesagt, Sie sollen nicht um ihn weinen. – Er ist nicht tot, Mrs. Farrow.«
    »Ich glaube es nicht! Es ist unmöglich … Ich hörte doch, wie er hinunterging. Und in den nächsten Minuten …«
    »Das waren eben die Minuten, auf die es ankam. Sie erinnern sich doch, daß einer von meinen Jungs mit Ihnen telefonierte? Und Sie sagten ihm, er wolle nicht im Haus bleiben. Na … und das machte den Jungs Sorgen. Sie hatten nämlich da draußen die Yacht gesehen. Die rührte sich den ganzen Tag nicht vom Fleck. Auch nicht, als es stürmisch wurde. Das fanden sie komisch. Und dann dachten sie sich, es wäre besser, den Herrn aus dem Verkehr zu ziehen und irgendwo sicher aufzubewahren, bis das Flugzeug ging. Ist ja klar, nicht? Sie warteten unten auf ihn, als er die Treppe herunterkam. Und sie gaben ihm gleich einen ordentlichen Schlag auf den Kopf. Sie hatten ihn kaum zur Tür draußen – da kam die Bombe. Es ging um Sekunden. Beinahe wären Sie mit draufgegangen. Aber ich sage ja immer, der Teufel kümmert sich schon um die Seinen.«
    »Oh, mein Gott«, sagte Judith. Und immer wieder: »Oh, mein Gott …«
    »Für uns war das natürlich sehr günstig«, fuhr Loder fort. »Und für ihn auch, versteht sich. Wir gaben bekannt, daß er tot ist. Seine Genossen glauben es und suchen nicht nach ihm. Was denken Sie, wie ihm und uns dadurch das Leben erleichtert wird. – Niemand darf es wissen, das ist ja wohl klar. Er meinte bloß, Sie sollten's wissen.«
    »Ich kann's nicht glauben«, flüsterte Judith.
    »Wir haben uns schon ausführlich über ›Blau‹ unterhalten. Den haben wir bald, Sie können sich darauf verlassen … Denn der fühlt sich ja jetzt auch sicher, nicht wahr? Der weiß ja nicht, was wir wissen. Den haben wir bald.«
    »Ich kann's nicht glauben«, wiederholte Judith.
    Sie öffnete ihre Hand, die sie zur Faust zusammengeballt hatte, fest geschlossen um die Tamarindenfrucht. Sie starrte nieder auf das kleine glatte Ding, hob es hoch, denn sie konnte es nicht mehr sehen, weil Tränen ihren Blick verschleierten.
    »Er ist gesund und heil. Und in Sicherheit«, sagte Loder. »Nur glücklich ist er nicht. Er fragt immerzu nach Ihnen. Wir haben alles für ihn getan, was wir konnten. Er lebt höchst komfortabel, alles erstklassig. Aber es hilft nichts. Er sehnt sich nach Ihnen.«
    Loder machte eine Pause, tat einen tiefen Zug aus seiner Zigarette. – »Aber das kann Ihnen ja egal sein, nicht? Es besteht für Sie keinerlei Verpflichtung, zu ihm zu fahren. Ist ja wohl klar, nicht? Für Sie ist der Fall erledigt, nehme ich an.«
    Ganz langsam stand Judith auf. Sie zitterte am ganzen Körper, sie mußte sich auf die Lehne des Sessels stützen, um sich aufrecht zu halten. Aber sie lächelte. Tränen liefen

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