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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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als erster gesagt: Machen Sie doch ein bißchen Urlaub, verlassen Sie New York für eine Weile, vergessen Sie die UN, Ihre Freunde, Ihre ganze Umgebung, denken Sie nicht zurück, erholen Sie sich in der Sonne und am Meer. Das wird Ihnen am schnellsten helfen.
    Sam war ein netter Mann, und sie arbeitete gern bei ihm. Manchmal zeigte er ein wenig väterliche Besorgnis, das kam wohl daher, weil sie mit Nancy ein gemeinsames Apartment bewohnte. Nancy war seine Tochter und nur ein wenig jünger als Judith. Übrigens hatte Nancy ihr den gleichen Rat gegeben: hau ab! Obwohl Nancy ihren Zustand keinesfalls begreifen konnte. Nancy, mit ihren vielen Liebesaffären, blieb immer kühl und selbstbewusst und war niemals beeindruckt, geschweige denn erschüttert von einem männlichen Wesen.
    Judith war alles egal, und so tat sie schließlich, was man ihr geraten hatte. Aber sie wußte jetzt schon, daß es sinnlos war. Ein Urlaub änderte nichts an ihrem Kummer. Unter ihr die Insel entschwand ihrem Blick, als sich die Maschine seitwärts neigte, ehe sie zur Landung ansetzte. – Den Teufel würde sie sich besser fühlen! Nicht die schönste Insel der Welt konnte ihr das zerstörte Vertrauen und die verlorene Selbstachtung wiedergeben. Was wußten die Nielsons schon von ihr? Sie kannten schließlich nichts anderes als ihr höflich lächelndes, gleichmütiges Alltagsgesicht.
    Und dies war nun schon die zweite Tragödie in ihrem Leben. Nein. Das war es eben nicht. Der Tod ihres Mannes vor vier Jahren, das war eine wirkliche Tragödie gewesen. Doch damals hatte sie vergleichsweise vernünftig reagiert. Sie hatte England kurz entschlossen verlassen und in den Vereinigten Staaten ein neues Leben begonnen. Daß sie nun den Mann verloren hatte, den sie liebte und mit dem sie gerade sechs Monate zusammen gewesen war, konnte man im Vergleich dazu nur eine Lappalie nennen. Genau genommen durfte es nicht mehr als vierzehn Tage dauern, um Richard Paterson zu vergessen.
    Die Maschine landete samtweich. Die Passagiere bewegten sich zum Ausgang, das Baby hatte wieder angefangen zu weinen.
    Sie war zwei Jahre verheiratet gewesen, aber ein Kind hatte sie nicht bekommen, obwohl sie es sich gewünscht hatte. Sie war zweiundzwanzig Jahre, als sie Patrick Farrow heiratete. Er war sehr reich, verfügte über den Charme und den Humor der Iren und hatte einen ungeheuren Appetit auf fremde Länder, große Reisen, neue Menschen.
    Als Judith ihn kennen lernte, arbeitete sie bei der Britischen Botschaft in Marokko, wo ihr Onkel Botschaftsrat war. Bei einem Empfang in der Botschaft kreuzte plötzlich Pat Farrow auf, zwei Monate später war sie verheiratet.
    Und dann begann die große Reise kreuz und quer durch die Welt, zwei Jahre lang. Anfangs hatte sie sich eingeredet, diese Art zu leben sei wunderbar, und sie sei glücklich. Oder war es vielleicht kein Spaß, einfach mal so nach Kenya zu reisen, wenn man gerade davon sprach, dann von Mombasa nach Nepal zu fliegen, wo es Pat natürlich nach zwei Wochen nicht mehr gefiel, zumal ihm jemand erzählt hatte, jetzt sei ein Trip nach Tokio genau das Richtige, dort blühten gerade die Kirschbäume.
    Farrow war großzügig und liebevoll. Aber sie hatte kein Heim. Wenn man sich erst mal an Luxushotels gewöhnt hatte, sah eins aus wie das andere. Ihr Mann empfand anders, er war glücklich. Manchmal auf einer Party, ein Glas Champagner in der Hand, den anderen Arm um ihre Schulter gelegt, erklärte er laut: Ich bin der glücklichste Mensch auf dieser Welt.
    Sie kamen zu einem kurzen Aufenthalt nach London, gerade zu Beginn der Rennsaison, Judith benutzte diese Zeit, um ihren Vater zu besuchen. Pat konnte auch ohne sie zu den Rennen gehen.
    Auf dem Rückweg von Newmarket krachte er mit seinem Jensen in einen Lastwagen; er war sofort tot.
    Ihr Vater tat, was er konnte, um sie zu trösten, aber er war ein kühler Mensch, der sehr zurückgezogen lebte, ihr Verhältnis war nie sonderlich herzlich gewesen. Er war nie mit der Tatsache fertig geworden, daß seine Frau ihn verlassen hatte. Für Judith war nicht viel Liebe übrig geblieben. So kam es, daß sie eines Tages in New York eintraf, in der Tasche eine Empfehlung an Sam Nielson. Die stammte von ihrem Onkel, der inzwischen von Marokko nach Ottawa versetzt worden war.
    Pat Farrow fehlte ihr sehr in der ersten Zeit. Es erschien ihr ganz unwahrscheinlich, daß soviel Vitalität und Lebensfreude von heute auf morgen ausgelöscht sein sollte. Seltsamerweise aber war es nicht so

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