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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Bungalows. Es war still an Bord, keiner sprach. Und dann plötzlich wurde eine der Schiebetüren geöffnet, man sah zwei Gestalten, einen Mann und eine Frau. Der Mann hob den Kopf, und für zwei Sekunden erfasste das Fernglas genau sein Gesicht.
    Der Grauhaarige ließ das Fernglas sinken.
    »Da ist er. Der zweite Bungalow von hinten.«
    Der Fischer legte die Angel hin und nahm das Glas.
    »Die Tür ist offen«, sagte er.
    Dann standen die beiden anderen auf, die in der Sonne gelegen hatten, und blickten ebenfalls durch das Glas. Alle vier standen sie nunmehr nebeneinander.
    »Sehr unvorsichtig«, sagte der Grauhaarige. »Wirklich, sehr unvorsichtig. – Laßt das Dinghy ins Wasser. Wir müssen uns beeilen.«
    »Es regnet«, sagte Judith. »Es sieht fast so aus, als ob es Sturm gibt. Schau mal das Segelboot da draußen – ich bin froh, daß ich da nicht oben bin.«
    »Segelst du nicht gern?«
    Sverdlov trat neben sie und blickte hinaus. Das Meer war unruhig geworden. Die Yacht tanzte auf den Wellen wie ein Spielzeug.
    »Nicht bei rauer See. Mein Mann war ein leidenschaftlicher Segler, ihm konnte es gar nicht stürmisch genug sein.«
    »Du hast mir niemals von deinem Mann erzählt. Nur von diesem englischen Liebhaber – nie von deinem Mann. Warum?«
    »Vielleicht weil ich mich irgendwie schuldig fühle«, sagte Judith. »Der Wind nimmt noch zu. Wir müssen die Tür zumachen. Nein, lass mich. Du solltest gar nicht ans Fenster kommen.«
    Er setzte sich auf die Couch. Die Tür bewegte sich geräuschlos, nur im letzten halben Meter klemmte sie wieder, da war offenbar die Laufschiene etwas verbogen. Judith mußte sich anstrengen, ein kleiner Spalt blieb trotzdem offen.
    »Warum fühlst du dich schuldig?« fragte Sverdlov. »Was hast du ihm angetan?«
    Sie kam und setzte sich neben ihn, er legte den Arm um sie.
    »Ich habe ihm nichts angetan. Es war bloß … ich hab dir ja erzählt, daß er bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam. Wir waren zwei Jahre lang verheiratet. Und eigentlich hatte ich nachher das Gefühl, daß ich ihn gar nicht geliebt habe. Jedenfalls bestimmt nicht mehr in der letzten Zeit. Darum fühle ich mich schuldig. Mit mir ist nicht viel los … Erst er, dann Richard … Das ist alles, was ich erlebt habe. Für eine moderne Frau sehr kläglich.«
    »Finde ich nicht«, sagte Sverdlov. »Mir gefällst du so. Und wenn du ihn wenigstens eine Zeitlang geliebt hast, da hat er doch allerhand gehabt. Er war bestimmt sehr glücklich.«
    »Das war er.« Judith blickte nachdenklich hinaus in den Regen. Es goß jetzt. Der Himmel war grau, das Meer kaum mehr von Himmel und Sand zu unterscheiden.
    »Er war von sich aus ein glücklicher Mensch. Ein ganz und gar unkomplizierter Mensch, der sich über alles freuen konnte. Das Leben war für ihn eine einzige Party. Und er lachte den ganzen Tag. Ich bin sicher, er hat es gar nicht gemerkt, daß ich ihn nicht mehr liebte. – Die ersten Monate – ja, da war es ganz schön, aber dann hatte ich einfach genug. Ich wäre bestimmt nicht bei ihm geblieben, ich hätte ihn verlassen.«
    »Mich wirst du nicht verlassen«, sagte er bestimmt.
    »Schau, wie es regnet. Erinnerst du dich, als wir das erstemal miteinander sprachen, draußen auf der Terrasse, da fing es kurz darauf auch zu regnen an. Ich warnte dich vor dem vergifteten Baum.«
    »Der Machineel«, sagte sie. »O ja, ich erinnere mich. Ich wollte lesen und allein sein mit meinem Kummer. Aber du warst sehr hartnäckig. Du bist überhaupt der hartnäckigste Mann, der mir je begegnet ist. Feodor, sag mir eins …«
    »Ja?«
    »Bist du sehr unglücklich, daß es so gekommen ist? Daß du jetzt im Exil leben mußt und dich verstecken mußt?«
    »Ich verstecke mich nicht«, lächelte er leichtsinnig, »ich warte nur, bis es aufhört zu regnen, dann gehe ich schwimmen. Und ob ich unglücklich bin …?« Er hob die Schultern und preßte sie an sich.
    »Ich bin ein Russe. Wir glauben an das Schicksal. Genau genommen haben wir es erfunden, ebenso wie die Märchen. Ich bin ein Fatalist. Wenn etwas schief geht, dann ist man nicht selber schuld, es ist Schicksal. Natürlich bin ich nicht glücklich, daß ich fortlaufen muß und nun von Mr. Loders Gnaden leben muß. Aber ich wäre auch nicht glücklich, wenn ich in der Lubjanka auseinander genommen würde. Wie es anderen geschieht und geschehen ist, die ich kannte. Und die es auch nicht verdient haben. – Wann wirst du nach England kommen? Nächsten Monat? Bis dahin könnte

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