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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Sie …«
    »Kein Wort!« sagte er kurz. »Hören Sie zu und bleiben Sie ruhig. Ich weiß, was los ist. Ich bin heute früh zurückgekommen und habe die Nachricht vorgefunden. Ich komme mit der Abendmaschine rüber nach New York. Soviel ich verstanden habe, ist es eilig.«
    »Oh, ja. Ja, schrecklich eilig. Bitte kommen Sie heute abend.«
    »Ich nehme an, es ist unser Freund, der mich sprechen will?«
    »Ja«, sagte Judith wieder. Egal, was Sverdlov ihr erlaubt hatte zu sagen und was nicht. Nur geschehen sollte etwas. Endlich. Die Maschine sollte anlaufen.
    »Okay. Also dann«, sagte Loder. Seine Stimme klang verändert. – Wenn er nicht so ein phlegmatischer Mensch gewesen wäre, hätte sie gedacht, seine Stimme klänge aufgeregt.
    »Machen Sie heute abend einen Spaziergang mit ihm. Gehen Sie die Fünfte entlang. Direkt an der Ecke am Park steht ein Taxi. Neun Uhr dreißig genau. Sie steigen beide ein. Ist alles klar? Ecke am Park. Neun Uhr dreißig, heute.«
    »Ja, ja, ich habe verstanden«, antwortete Judith. Sie fühlte geradezu körperlich, wie Sam Nielson auf sie wartete. Er rauchte und wartete. Er mußte noch eine Zigarette rauchen, denn nun versuchte sie, Sverdlov zu erreichen. Und sie hielt sich nicht damit auf, Sam Nielson um Erlaubnis zu fragen.
    Sie wählte die Nummer, die er ihr gegeben hatte. Er war immer noch in der UN-Botschaft in New York.
    »Können wir heute abend zusammen essen«, sagte sie. »Ich habe Zeit. Holst du mich im Büro ab – halb sieben, wie immer?«
    »Wie schön. Wird es eine Party sein?« – Sie sah sein schiefes Grinsen vor sich. Sie war so glücklich, daß sie ihn erreicht hatte, daß sie seine Stimme hörte, daß er noch da war. – Sie lachte auf, nervös, fast hysterisch.
    »Ja, ja. Eine Party. Es ist alles vorbereitet.«
    »Hast du gut geschlafen?«
    »Nicht besonders. Und du?«
    Zum Teufel mit Sam Nielson. Sie hörte, wie er sich ärgerlich räusperte und mit den Papieren raschelte.
    »Nicht so gut wie auf deiner Schulter«, sagte die Stimme. »Schlaflosigkeit ist eine schlimme Krankheit. Man muß etwas dagegen tun.«
    »Halb sieben«, sagte Judith. »Ich werde pünktlich sein. Auf Wiedersehen.«
    Sie legte auf und ging zurück in Sam Nielsons Zimmer. »Mr. Nielson«, sagte sie, »bitte verzeihen Sie die Unterbrechung. Es war wirklich etwas sehr Wichtiges. Aber nun ist es gut. Jetzt stört uns niemand mehr.«
    Loder war nach einem Nachtflug am Morgen gelandet, er war voll Tatendrang, ein Jäger auf einer heißen Spur. Ein Verräter in den eigenen Reihen, einer, der für den KGB arbeitete, einer, der höchst wichtige, höchst geheime Dinge verriet.
    Diese arabisch-israelischen Friedensbemühungen waren so eine Art diplomatische Zeitbombe gewesen, die still im Verborgenen vor sich hin tickte und dann eines Tages hochgehen sollte, um diesen verdammten Sowjeteinfluß im Mittleren Osten zu zertrümmern. So war es geplant gewesen. Und statt dessen?
    Die Bombe war ihnen in der Hand explodiert. Für lange Zeiten waren wieder einmal alle Verhandlungswege zwischen Israel und Ägypten blockiert.
    Wer immer dieser Bastard von Verräter war, Loder hasste ihn höchstpersönlich. Vielleicht machte das einen guten Teil seines Erfolges aus, daß er bei aller kalten Überlegung und wohlüberlegten Taktik, mit der er vorging, sich doch ganz emotionell von seinem Beruf angesprochen fühlte.
    Agenten mußten sein, auf dieser und auf jener Seite. Es gab sie nun einmal, damit fand man sich ab, zudem man sie ja schließlich selbst auch benötigte. Aber Verräter, die für die andere Seite, für den Feind arbeiteten, die mußten vernichtet werden. Es gab keine Entschuldigung für diese Verbrecher. Erpressung war keine, denn es gab immer die Möglichkeit, sich jemandem anzuvertrauen, und Behörden waren in diesem Punkt großzügig. Und am hassenswertesten fand er die Gewissenstäter, diejenigen, die aus Überzeugung handelten, Atom-Wissenschaftler zum Beispiel, die ihre Erfindungen an den Feind weitergaben, an den Unterdrücker, der halb Europa unter seiner erbarmungslosen Faust zermalmte – diese Typen hätte Loder am liebsten mit einer Kugel zusammen erschossen.
    Wer mochte es diesmal sein? War es möglich, daß es wieder ein Engländer war? Hatten sie nicht schon genug Schande eingesteckt?
    Loder saß aufrecht während des ganzen Fluges in seinem Sessel, und der Ärger und der Zorn waren wie ein körperlicher Schmerz. Als er in sein Büro kam, sah er müde und alt aus. Schlechter Laune war

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