Weißer Mond von Barbados
Schlafzimmer, ein Büro. Die Räume, die speziell dem KGB zur Verfügung standen, befanden sich in einem anderen Teil des Gebäudes und wurden zur Zeit von Sverdlov bewohnt.
Der alte Mann war müde. Er flog nicht gern, selbst ein kurzer Flug erschöpfte ihn und verdarb ihm die Laune. Vielleicht wurde es wirklich bald Zeit, in die Heimat zurückzukehren und sich mit dem Lehnstuhl abzufinden. Nur diese eine Sache mußte er noch zu Ende führen, diesen Dienst mußte er seinem Vaterland noch erweisen, er mußte diesen korrupten Schwächling vernichten, dann konnte er den Ruhestand akzeptieren.
Soweit er dazu beitragen konnte, Russland von Sverdlov zu befreien, von diesen Kompromißlern, diesen dekadenten Ketzern, die nicht daran glauben wollten, daß nur die totale Zerstörung der kapitalistischen Welt die Befreiung der Menschheit bringen konnte, und die darum vernichtet werden mußten, soweit er das konnte, wollte er das tun. Und wenn es die letzte Aufgabe seines Lebens war.
Sverdlov sei ausgegangen, erfuhr er auf seine Frage. Golitsyn bestellte sich Wodka. Man brachte ihm die Flasche auf einem Tablett zusammen mit gewürzten Gurken, schwarzem Brot und Salz. So gehörte sich das. Diese albernen westlichen Cocktailhappen waren nichts für ihn.
Als nächstes bestellte er den Major Stukalov von der Sowjet-Luftwaffe zu sich. Stukalov war ebenfalls Ukrainer, ein vierschrötiger blonder Mann Mitte der Dreißig, einer der besten KGB-Offiziere, die man in Amerika zur Verfügung hatte, und ein besonderes Protektionskind des Generals.
Er kam und stand in Habachtstellung vor dem Alten.
»Major«, sagte der General, »ich muß dich in eine sehr delikate Angelegenheit einweihen. Befehl von General Panyushkin.« – Er biss ein kräftiges Stück von dem schwarzen Brot ab, auf das er zuvor reichlich Salz gestreut hatte, und nahm einen Schluck Wodka darauf.
Die Augen des Majors wurden starr, als er den gefürchteten Namen hörte. Panyushkin war zwar nicht so ein Schreckgespenst wie sein Vorgänger Berija, aber immerhin ein Mann, den seine Untergebenen entsprechend fürchteten. Er regierte den Geheimdienst mit der absoluten Macht eines Zaren. Seine Befehle erforderten blinden Gehorsam. Seine Strafen für Ungehorsame waren fürchterlich.
»Zu Ihrer Verfügung, General. Ich erwarte Genosse Panyushkins Befehle.«
Golitsyn wies auf den Wodka. »Schenk dir ein, und dann hör mir zu, Genosse Major. – Hast du zwei Leute zur Hand, denen du absolut vertrauen kannst? Ich meine, so vertrauen, wie du dir selbst vertraust. Oder wie ich dir vertraue?«
»Ja, General. Mehr als zwei, falls sie benötigt werden.«
»Zwei genügen. Es handelt sich um eine sehr ernste Angelegenheit. Was du dir denken kannst, wenn die Befehle von Genosse Panyushkin selbst kommen. Auch ich befolge in diesem Fall nur seine Befehle.«
Der General machte eine Pause und ließ den jungen Mann schmoren. Er vertraute Stukalov wirklich. Aber noch mehr vertraute er der Furcht, die alle vor Panyushkin hatten. Furcht mußte Stukalov daran hindern, seinen wirklichen Chef zu warnen.
»Deine beiden Männer sollen Colonel Sverdlov überwachen«, sagte Golitsyn. »Er ist unter Verdacht der Konterrevolution geraten.«
Eine Weile herrschte tiefstes Schweigen.
Der General beendete es schließlich mit einem kurzen Husten, nahm noch einen Schluck Wodka und fuhr sich mit dem Taschentuch über den Mund.
»Ich bin sehr betroffen, das zu hören«, sagte Major Stukalov. »Meine beiden Männer werden ihn Tag und Nacht überwachen. Ich werde sie meinerseits überwachen, General.«
»Du berichtest mir. Sonst niemand. Panyushkin hat es in meine Hände gelegt. Sverdlov wird demnächst in Russland erwartet. Sollte er durch irgend etwas gewarnt werden und seine Reise dadurch verzögert werden, mache ich dich verantwortlich, Major. Dich und deine beiden Männer. Verstanden?«
»Ich habe verstanden, Genosse General.«
Golitsyn sagte: »Da ist noch eine Frau im Spiel. Eine gewisse Mrs. Farrow. Sie arbeitet für Nielson hier in der UN. Sverdlov ist dabei, sie anzuwerben. Ich denke, daß du der Richtige sein wirst als ihr Verbindungsmann, wenn er fort ist. Wie ich gehört habe, kannst du gut mit Frauen umgehen.«
»Ich weiß nicht, General. – Aber ich werde es gern mit Mrs. Farrow versuchen, wenn ich dazu bestimmt werde.«
»Sie könnte sehr wichtig für uns sein«, sagte der General. »Wenn du sie richtig behandelst, würdest du sicher bald befördert werden. Auf meine Empfehlung
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