Weißer Mond von Barbados
hin, Major. Aber warten wir erst mal ab. Das kommt dann später, wenn Sverdlov von hier verschwunden ist. Beginne mit der Überwachung, wenn er heute abend zurückkommt. Du kannst jetzt gehen. Gute Nacht.«
Der General suchte sich sorgfältig eine der kleinen grünen Gurken aus und trank bedächtig noch einen Wodka. Soweit war er zufrieden mit sich. Es war alles auf dem besten Wege.
Es war dunkel in dem Taxi. Sverdlov hatte es herangewinkt, als es langsam am Bordstein entlangfuhr, präzise um einundzwanzig Uhr dreißig. Und es hatte direkt vor ihnen gehalten.
Als Judith einstieg, sah sie Loder in der Ecke sitzen. Er sprach kein Wort. Sverdlov stieg nach ihr ein. Alle drei saßen sie nebeneinander im Fond. Judith in der Mitte. »Mein Name ist Loder, ich bin von der Britischen Botschaft. Wie ich hörte, wünschen Sie mich zu sprechen.«
»So ist es.«
Darauf blieb es wieder still. Sie fuhren langsam um den nächsten Block. Sverdlov zündete sich eine Zigarette an, bot ihr auch an, sie lehnte ab.
»Na gut«, begann Loder wieder, es hörte sich kurz und unfreundlich an. »Was ist los? Was wünschen Sie?«
»Politisches Asyl. Die üblichen Garantien und eine besondere dazu: kein Handel mit den Amerikanern. Ich möchte nach England gehen.«
»Aha. Wie ich gehört habe, wäre es eilig für Sie. Stimmt das?«
»Ja«, antwortete Sverdlov. –
Er sprach ganz anders wie sonst, er hatte den kalten autoritären Ton in der Stimme, in dem er offenbar zu Untergebenen sprach. So hatte er mit Memenov gesprochen. Judith blickte aus dem Fenster. Es war ein Alptraum. Keiner der beiden Männer beachtete sie. Vermutlich wünschten beide, daß sie nicht dabei wäre.
»Ich muß innerhalb der nächsten Woche von hier verschwinden. Sonst könnte es sein, daß man mich daran hindert. Haben Sie die Kompetenz, mir die gewünschten Garantien zu geben?«
»Ich habe sie«, sagte Loder. »Allerdings habe ich Ihnen noch nicht zugesagt, daß wir Ihnen Asyl gewähren. Es könnte der Anlass für Komplikationen werden. Sie könnten die englisch-sowjetischen Beziehungen sehr belasten, Colonel. Das muß zuvor bedacht werden.«
»Das verstehe ich«, sagte Sverdlov. »Aber ich komme nicht mit leeren Händen.«
»Das habe ich auch nicht erwartet«, erwiderte Loder.
»Sie für den Rest Ihres Lebens vor Ihren eigenen Leuten zu schützen, ist nicht gerade ein billiges Unternehmen. Was würden Sie mitbringen? Für den Fall, wir wären bereit, Ihnen Gastfreundschaft zu bieten.«
»Nur eine einzige Information.«
»Eine? Ist das nicht ein bißchen wenig? Ich würde es nicht wagen, meinem Chef diesen Vorschlag zu machen. Vermutlich würde er mir sagen, ich solle Ihnen mitteilen, sich um sich selbst zu kümmern.«
»Eine einzige Information«, wiederholte Sverdlov in ruhigem Ton, als wäre er nicht unterbrochen worden. »Und sie dürfte für Ihr Land nützlicher sein als all die wilden Geschichten über den Sowjetischen Sicherheitsdienst, die meine Vorgänger vermutlich berichtet haben. Was hätten Sie denn gern, Mr. Loder – die Namen von einem Dutzend Agenten, die für uns in Europa arbeiten? Den Codeschlüssel, der sowieso geändert wird, spätestens vierundzwanzig Stunden nach meiner Flucht? Oder eine Information darüber, wer westliche Topgeheimnisse an uns verrät, und zwar jetzt zu dieser Stunde. Falls Sie das nicht interessiert, dann lassen Sie halten – und ich steige aus.«
Er wandte sich zu Loder, und die Männer blickten sich in dem vagen Halbdunkel ins Gesicht.
Wie sehr Loder sich diesen Sverdlov wünschte! Er wünschte ihn sich so sehr, daß seine Kopfschmerzen sich zu einem jähen Schwindelgefühl steigerten. Aber er wollte es dem Bastard nicht zu leicht machen. Wenn er wirklich in Gefahr war, dann sollte er um Hilfe winseln, sollte sich hier vor ihm klein und hässlich machen.
Aber er wußte bereits, daß so etwas bei diesem Mann unmöglich war. Nie würde das geschehen. Er war bereit, überzulaufen. Aber man durfte seine Selbstachtung nicht antasten. Sonst – das erkannte Loder, würde er versuchen, auf eigene Faust davonzukommen. Oder er würde mit dem den Russen eigenen Fatalismus ertragen, was über ihn kam. Loder hatte keine Ahnung, was Sverdlov zu fürchten hatte, daß er veranlasst war, zu fliehen. Und nur Gefahr konnte einen Mann wie ihn dazu veranlassen. Er war keiner, der es für Geld oder aus idealistischen Gründen tat. – Worin bestand also die Gefahr? Oder was hatte er getan, daß er seine eigenen Leute
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