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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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sagte: »Ich danke dir, mein Bruder, wir sehen uns wieder.«
    So ging Jacobus, erst am Fluss entlang gen Südosten. Er hielt Ausschau nach einem staubigen Weg. Im Gehen setzte er langsam
     aber sicher alles zusammen.
     
    Für die zweihundert Kilometer brauchte Jacobus fast eine Woche. Er ging nur nachts, er versteckte sich jedes Mal, wenn Leute
     oder Fahrzeuge oder Flugzeuge zu sehen waren.
    Er überquerte die Berge nach Swasiland acht Kilometer östlich der Grenzstation Lomahasha. In einer kleinen katholischen Kirche
     am Ngwenya Peak wusch er sich das erste Mal und aß. Der Priester gab ihm ein Bett und ließ ihn zwei Tage schlafen. Er schenkte
     ihm Kleidung, denn was Jacobus trug, hing in Fetzen. Sie sagten ihm, er sei nicht der erste weiße Südafrikaner, der hierherkomme.
     Sie hätten noch zwei andere, gezielte Verweigerer, die nicht der Wehrpflicht gehorchen wollten. Es gab Leute in Manzini, die
     helfen konnten. Jacobus musste auf den Laster warten, der donnerstags kam. Viel konnten sie ihm nicht geben. Aber immerhin
     zwanzig Lilangeni.
Geh mit Gott.
    In Manzini las er eine Woche nach dem Tod Samora Machels die Zeitung. Man verdächtige die südafrikanische Regierung. Afrika
     und die Russen waren empört.
    Er rief aus einer Telefonzelle im Büro seines Vaters an. Die Zentrale stellte ihn durch zur Chefsekretärin, die den Atem einsog,
     als er sagte: »Hallo, Alta«, und sie entgegnete: »Jacobus?«
    Dann war die Leitung tot.
    Er versuchte noch einmal anzurufen, aber es klingelte nicht. |368| Er nahm seine Münzen und ging weg, doch das Telefon hinter ihm läutete. Er blieb stehen. Sah sich um. Niemand in der Nähe.
    Er kehrte zurück und nahm den Hörer ab. »Hallo?«
    »Du bist in Swasiland. Wir kriegen dich. Hör genau zu …«
    Er war erstarrt. Es war eine neue Stimme, nicht die vom Funkgerät.
    »… wenn du jemals wieder versuchst, deinen Vater anzurufen, wenn du mit irgendjemand Kontakt aufnimmst, schneiden wir ihnen
     den Hals durch. Wir werden davon erfahren, so wie jetzt. Das musst du verstehen.«
    Er war wie betäubt.
    »Ich will hören, wie du sagst, dass du es verstehst.«
    »Ich verstehe.«
    »Dein Vater fährt einen weißen Mercedes Benz, TJ 100765. Jeden Nachmittag nimmt er denselben Weg aus dem Büro nach Hause.
     Unfälle geschehen so schnell. Deine Mutter besucht jeden Mittwoch den Nachmittagsgottesdienst in der niederländisch-reformierten
     Kirche. Sie verlässt das Haus um zwanzig vor sieben allein in ihrem Honda Ballade, Nummernschild TJ 128361. Sie ist ein leichtes
     Ziel. Deine Schwester geht jeden Nachmittag von der Schule nach Hause. Ich denke, du verstehst. Sag mir noch einmal, dass
     du es begriffen hast.«
    »Ich habe es begriffen.«
    »Sehr gut. Ich sehe, du bist in Manzini. Wenn du dort bleibst, schicke ich ein paar Leute, mit denen du reden kannst. Wir
     können diese Sache in Ordnung bringen …«
    Ihm wurde klar, dass der Mann ihn in der Leitung halten wollte. Vielleicht suchten schon welche nach ihm. Er hörte nicht mehr
     zu, sondern legte den Hörer auf und ging schnell davon.
    Er ließ sein Leben hinter sich zurück.
     
    Der Erste war einfach, denn ich wusste, wo er war, und ich wusste, dass er auf Emma geschossen hatte.
    Ich wartete bis einundzwanzig Uhr. Huschte im Schatten der Nacht über den Fluss. Ich kam von hinten. Er lag auf dem |369| Bauch, ganz gemütlich, das Galil auf dem Stativ vor sich. Dann und wann schaute er durch das Nachtsichtgerät.
    Neben ihm lag ein Rucksack. Darin würden Essen und Getränke sein. Das konnte ich gut gebrauchen.
    Man kann im Unterholz niemals absolut geräuschlos gehen, ganz egal, wie vorsichtig man ist. Ich war noch etwa drei Meter von
     ihm entfernt, als ein kleiner, unsichtbarer Zweig unter meinem Fuß knackte. Ich sah ihn instinktiv zuerst den Kopf drehen,
     dann zuckte sein Oberkörper herum, aber ich war auf den Beinen und hielt das Messer in der rechten Hand. Er rappelte sich
     eilig auf. Er tat, was die meisten Leute tun würden – er versuchte, seine Waffe einzusetzen, das Scharfschützengewehr. Er
     schwang es in meine Richtung.
    Zu spät. Zu langsam. Ich stieß ihm die lange Klinge ins Herz und sagte: »Für Emma.«
    Ich glaube nicht, dass er mich hörte.
    Ich trat zurück und ließ ihn fallen. Zerrte ihn zur Seite, griff nach dem Gewehr und legte mich dorthin, wo er gelegen hatte.
     Ich betrachtete das Gelände durch das Nachtsichtgerät.
    Der Jeep Grand Cherokee stand da, halb verborgen hinter dem Haus neben

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