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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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konnten sich weiter verstecken, denn morgen mussten sie zurück im Basislager sein, und die ESU würde anfangen, nach ihnen
     zu suchen. Aber Pegos Bein konnte nicht so lange warten.
    Die Stimme im Funk schwieg fünf Minuten. Als sie wieder ertönte, klang sie anders, streng und wütend. »Hören Sie mir genau
     zu. 47 Dale Brooke Crescent, kommt Ihnen das |364| bekannt vor? 47 Dale Brooke Crescent in Linden, Johannesburg.«
    Die Adresse seiner Eltern.
    »Sie haben zehn Minuten, sich zu melden. Sonst schicke ich Leute. Leute, denen alles egal ist. Leute, die einer Frau bloß
     zum Spaß den Hals aufschlitzen. Zehn Minuten. Dann schicke ich sie los.«

|365| 43
    Jacobus le Roux nutzte die folgenden zehn Minuten, eine Entscheidung zu treffen. Er ließ das Funkgerät unter dem Überhang
     liegen, weckte Pego und stieg unter größten Schwierigkeiten in der Dunkelheit in den Canyon hinab.
    Dann taumelten sie am Nwaswitsontso gen Osten, über vier Kilometer bis zur Grenze nach Mosambik.
    Er hatte keine andere Wahl. Wenn er antwortete, würden sie ihn und Pego erschießen. So viel war sicher. Die Bedrohung seiner
     Familie – er glaubte ihnen nicht. Sein Vater war jemand, sein Vater kannte Minister, sein Vater belieferte das Militär und
     gehörte daher auch zu der großen Maschinerie.
    Alles, was Pego und er tun konnten, war, zu verschwinden. Bis diese Leute weg waren und diese Geschichte erledigt war.
    Sie erreichten die Grenze erst, als die Sonne schon aufgegangen war.
    Sie hörten die Hubschrauber, kurz nachdem der Himmel begonnen hatte, die Farbe zu wechseln. Der weit entfernte Rhythmus ihrer
     Rotoren kam immer näher und wurde lauter. Jacobus fand einen Unterschlupf und beobachtete durch die Mopani-Blätter zwei Flugzeuge,
     die in einem Suchmuster auf dieser Seite des Ka-Nwamuri
koppie
hin und her flogen. Weiße Flugzeuge, wie die Cessna von gestern, ohne Buchstaben oder Zeichen.
    Der Helikopter suchte über eine Stunde, dann verschwand er gen Süden.
    Jetzt mussten Jacobus und Pego bei Tageslicht am Wachposten Shishengedzim vorbei. Aus der Grenzstation hatte man Überblick
     über den Canyon, aber es ging nicht anders. Pego hatte Fieber und war schwach. Und Jacobus war müde, so todmüde von der schweren
     Last auf seiner Schulter.
    |366| Er taumelte die vierhundert Meter an dem Wachturm vorbei und wartete auf die Schüsse. Er konnte sie schon spüren, er wusste,
     sie würden kommen. Zwei- oder dreimal sah er hoch zu dem Bau, aber es war kein Lebenszeichen zu bemerken, nirgends, auch keine
     Wildhüter, nur die Leute hinten auf dem Ka-Nwamuri mit ihren Kabeln auf dem Abhang und den elektronischen Augen im
veld
.
    Er durchschnitt den Grenzzaun: Sie waren in Mosambik. Den Fluss entlang fand er kein Lebenszeichen, keine Tiere, keine Menschen,
     nur sengende Hitze. Sechs Stunden später sahen sie eine Frau Wäsche im Flussbett waschen.
     
    Pego konnte ihre Sprache und konnte ihnen sagen: »Fürchte nicht den weißen Mann, er hat mir das Leben gerettet, sie jagen
     ihn auch. Er will nur eine Weile ausruhen.«
    Sie schliefen die Nacht über in einem namenlosen Dörfchen. Der grauhaarige Stammesführer nannte sich Rico und erklärte ihnen
     über Pego, dass sein Land brannte. Mosambik stand in Flammen, der Krieg zerstörte alles. Die Eingeborenen verließen ihr Dorf
     nie. Dann und wann zogen die Elefantendiebe durch und ließen ihnen etwas da, Geld, Essen oder Bekleidung, im Gegenzug für
     einen Ort, um auszuruhen.
    Am Sonntag, den 19. Oktober, hörten Jacobus und Pego einen schrecklichen Krach, der Nachthimmel zerriss von Norden nach Süden,
     in nächster Nähe ein ohrenbetäubendes Donnern. Jacobus rannte aus der Hütte und sah tief am Horizont ein flackerndes rotes
     Licht.
    Am folgenden Nachmittag um drei erfuhren sie die Nachricht.
    Mosambiks Präsident Samora Machel war tot. Sein Flugzeug war in der Nacht zuvor in der Nähe von Mbuzini abgestürzt.
    Jacobus hatte nicht gleich eins und eins zusammengezählt, denn die Frauen hatten zu klagen begonnen, und der faltige Rico
     schüttelte den Kopf und sagte immer wieder:
»Uma coisa má, uma coisa má.«
Dann erklärte er Pego, dass der weiße |367| Mann gehen musste; es würde großen Ärger geben. Der weiße Mann musste gehen.
    Die Mozambikaner gaben ihm Kleidung und etwas zu essen und Wasser, sie sagten, sie würden dafür sein Gewehr nehmen. Sie erklärten
     ihm, wie er nach Swasiland komme, wo er in Sicherheit sei.
    Pego schlang die Arme um seinen Freund und

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