Weißer Schatten
einem Toyota Prado. Große Wagen. Genug, um eine Menge
Männer herzuschaffen. Wie viele waren es? Das Haus wirkte verlassen. Ich ließ das Nachtsichtgerät langsam über den gesamten
Bereich streichen. Dann bemerkte ich ihn auf der Veranda hinter der Mauer.
Nur die Oberseite seines Kopfes ragte hoch.
Nummer zwei.
Wenn ich an ihrer Stelle wäre, hätte ich die anderen in der Nähe des Tores stationiert.
Wir würden sehen.
Ich hörte eine leise Stimme flüstern.
Hinter mir.
Ich riss die Glock heraus und wirbelte herum.
Nichts.
Dennoch hörte ich die Stimme – sie gehörte einem Mann. Unmöglich, hinter mir war nur dichter Busch. Eigenartig.
|370| Es klang wie ein Funkgerät.
Ich kroch hinüber zur Leiche des Blonden und durchsuchte seine Taschen. Nichts. Ich drehte ihn um, tastete am Gürtel entlang,
fand nichts.
Die Stimme war jetzt lauter. Nah bei ihm. Irgendwo an ihm. Weiter oben.
Ich tastete an seiner Leiche entlang, da ich im Dunkeln nichts sehen konnte.
Ich hielt mein Ohr dicht an seinen Kopf. Ich konnte es nun deutlich hören. »Vannie, melden.« Ein leises Flüstern, etwas ungeduldig.
Sein Ohr – das Ding steckte in seinem Ohr. Ein kleiner Draht schlängelte sich da herunter. Ich hätte wissen müssen, dass sie
derart aufgerüstet waren. Ich nahm es vorsichtig ab. Seine Haut war noch warm. Ich steckte es mir ins Ohr. Es passte nicht
besonders gut. Wahrscheinlich eine Maßanfertigung für ihn.
»Vannie, sag nicht, dein
vack
funktioniert nicht.«
Was war ein
vack
?
»Frans, kannst du Vannie sehen?«
»Negativ.«
»Scheiße.«
Nummer drei und vier.
»Soll ich nachsehen gehen?«
»Ja, es ist noch früh. Bring ihm eins von den restlichen
vacks
mit, es liegen noch ein paar hinten in dem Jeep, in der blauen Schachtel.«
»Okay.«
Ich legte mich hin.
Vacks
? Ich schaute durch das Zielfernrohr. Der Mann hinter der Mauer stand auf – Frans. Er lief die Stufen zu den Fahrzeugen hinunter
und öffnete den Kofferraum des Jeeps.
»Ich kann die Schachtel nicht sehen.«
»Da drauf steht Voice Activated Comms.«
Ich begriff.
Vack
. VAC. VACs.
»Die ist nicht da.«
»Sie muss da sein.«
|371| »Ich sage dir, sie ist nicht hier.«
»Sie steht hinten im Prado, Eric. Ich habe sie umgestellt.« Eine neue Stimme. Nummer fünf.
»Danke.«
Frans schloss die Klappe des Jeeps und ging hinüber zum Prado, öffnete den Wagen und wühlte darin herum.
»Okay, ich hab sie. Verdammt, Vannie, erschieß mich jetzt nicht.«
»Er kann dich nicht hören, Frans.«
»Ich meine ja bloß.«
Er kam über den Rasen auf mich zugelaufen. Ich griff nach dem Messer und stand auf.
Jacobus le Roux fand als Arbeiter Unterschlupf im Mlawula Game Reserve in Swasiland. Dem schwarzen Wildhüter kam das merkwürdig
vor, ein weißer Afrikaaner-Deserteur, der die Arbeit der Schwarzen verrichten wollte. Der stille Junge, der nie lachte.
Mit größter Mühe und Geduld setzte Jacobus die Nachrichten und Gerüchte zu einem Bild zusammen. Samora Machels Flugzeug war
vom Kurs abgekommen. Irgendwo hatte es einen falschen Sendemast gegeben, einen VOR, spekulierte die
Times of Swasiland
zusammen mit russischen Experten.
Jacobus wusste, wo der VOR gestanden hatte. Er wusste, wer ihn dort aufgestellt hatte.
Die Zeitungen schrieben, dass die Regierung Südafrikas Machel lieber tot sah. Es hieß, er sei seit 1964 ein Störenfried gewesen,
als er die ersten Angriffe auf die Portugiesen als Guerillakämpfer der Front for the Liberation of Mozambique – kurz Frelimo
– gestartet habe. Machel, ein ausgebildeter Krankenpfleger, hatte miterleben müssen, wie das Land seiner Familie okkupiert
worden war, wie seine Eltern unter der protugiesischen Regierung Hunger gelitten hatte. Er hatte seinen Bruder in einer südafrikanischen
Goldmine sterben sehen und kannte den unfassbaren Unterschied in der medizinischen Versorgung für Weiße und Schwarze aus erster
Hand.
|372| Und da seine Großeltern und Urgroßeltern bereits im 19. Jahrhundert gegen die Portugiesen angetreten waren, nahm es dieser
kleine Krankenpfleger auf sich zu kämpfen. 1970 war er der Leiter der Frelimo, 1975 der erste Präsident des unabhängigen Mosambik.
Und so, hieß es in den Zeitungen, habe er wenig später sein eigenes Todesurteil unterzeichnet – denn er bot Guerillatruppen,
die gegen das Unrecht in Südafrika und Rhodesien kämpften, Unterschlupf in seinem Land. Die beiden Nachbarstaaten taten sich
zusammen und bildeten eine
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