Weißer Schatten
bei Stef arbeitete. Er hat irgendwann mal so etwas gesagt …«
»Wie komme ich zu Stef Moller?«
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Der Lauf eines Gewehrs ändert alles.
Es war still im Wagen, als wir Wolhuter und Branca verließen. Ich dachte darüber nach, was Emma le Roux gesagt hatte, bevor
wir gefahren waren. Eloquent und fachkundig hatte sie den Fehler in der Markenpositionierung erklärt – kein Zögern, keine
unvollständigen Sätze, kein Bruch im Rhythmus. Mit dieser wunderbar musikalischen Stimme und einem selbstsicheren Schimmer
in den Augen hatte sie ihnen erklärt, dass Donnie Brancas Publikumsvortrag ausgezeichnet gewesen sei, aber einen großen Fehler
aufgewiesen habe. Wenn sie diesen Fehler ausmerzten, würden die Spenden deutlich zunehmen.
Das ließ die beiden Männer sofort aufhorchen.
Emma erklärte, wie Markenbildung funktionierte, Markennamen-Positionierung. Jedes Produkt repräsentiert im Geist des Kunden
eine Idee, ein einziges Konzept. Beispiel Autohersteller: einer besetzt die Position »Sicherheit« – Volvo, einer belegt »Fahrvergnügen«
– BWM. Einer steht für »Zuverlässigkeit« – Toyota; aber kein Markenname kann mehr als eine Position vertreten. Der menschliche
Geist lässt das einfach nicht zu. Wenn eine Marke es versucht, scheitert sie, ohne Ausnahme.
In Mogale, erklärte Emma mit kenntnisreicher Begeisterung, galt dasselbe Prinzip. Die Wiederauswilderung von Geiern war perfekt.
Es war originell, einzigartig, stark, neu, entschieden ungewöhnlich – alles, was man von einer kraftvollen Positionierung
verlangen konnte. Brancas Vortrag war der absolute Pitch, unterhaltsam, informativ, emotional; er rührte die Menschen zutiefst.
Bis er die anderen Tiere erwähnte, die |94| Schimpansen, Wildkatzen, Leoparden und Wildhunde. In diesem Moment wandelte sich Mogale bloß in eine weitere Marke, die versuchte,
alles für alle zu sein.
»Sie haben zwei Möglichkeiten. Geben Sie dem Säugetier-Programm einen anderen Markennamen, oder lassen Sie es ganz aus dem
Vortrag weg. Sie klopfen die Spender bei den Geiern weich. Sie sitzen da und überlegen: ›Wie viel kann ich für diese ausgezeichnete
Aufgabe geben?‹, aber dann multiplizieren sie plötzlich ihre Möglichkeiten, völlig grundlos, und niemand weiß mehr genau,
wofür das Geld ausgegeben wird. Wenn es meine Entscheidung wäre, würde ich die anderen Tiere ausgliedern, weg von den Raubvögeln,
und ein weiteres Zentrum unter einem anderen Namen einrichten, wo der Vortrag und die Tour sich auch wieder nur mit einer
Spezies beschäftigen.«
Auf dem Weg nach draußen betrachtete ich das als Bestätigung meiner Vermutung, dass Emma … nun ja, lügen wäre nicht genau
das richtige Wort … etwas verbergen wollte … über die anderen Sachen, den Überfall, Jacobus.
Zwanzig Jahre lang hatte meine Aufgabe darin bestanden, bedrohliches Verhalten von Menschen zu bemerken. Der beste Hinweis
darauf war ein Bruch im Rhythmus. Jemand, der nicht im Gleichschritt mit der Masse ging, jemand dessen Atmung, Bewegungen
oder Gesichtsausdruck zu einer eigenen Musik tanzten. Der Rhythmus der Sprache – jeder hat seinen eigenen, aber wenn es deutliche
und plötzliche Veränderungen gibt, deutet das auf Anspannung und Stress hin, die Busenfreunde einer Lüge.
Warum Emma lügen sollte und worüber, konnte ich nur vermuten. Menschen haben viele unerklärliche, komplexe und auch einfache
Gründe, zu lügen. Manchmal reicht, dass sie es können. Aber immer brauchen sie ein Motiv. Darüber dachte ich nach, als wir
gingen. Das Nächste, womit ich mich beschäftigen würde, wäre die Ausformulierung eines neuen Lemmer-Gebotes über Tierschutzfanatiker,
aber so weit kam ich nie. Als wir aus dem Mogale-Tor fuhren, stand der silberne |95| Opel Astra auf der anderen Straßenseite, deutlich zu sehen, wartete er auf uns.
Zwei Männer saßen darin, ein Schwarzer hinter dem Steuer, ein Weißer auf dem Beifahrersitz. Aber es war der Gewehrlauf, der
mein Adrenalin in die Höhe jagte. Er ragte senkrecht vor dem Beifahrer auf, der Lauf war vor seinem Gesicht gut zu erkennen,
die Form von Visier und Mündung wies sie als R4 aus, vermutlich.
Emma war mit der Straßenkarte beschäftigt. Sie bemerkte es nicht. Und ich sagte nichts.
Feuerwaffen sind das größte Problem und die größte Angst eines unbewaffneten Bodyguards. Aber das war nicht meine einzige
Sorge. Es bestand immer noch die Möglichkeit, dass ich unrecht hatte mit meiner
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