Weißer Schatten
heute nichts mehr wachsen. Aber eigenartigerweise ist das Klima heute noch genauso. Es wurde zur Wüste, weil die Menschen
und ihr Anbau den mittleren Osten erschöpft haben. Zu viel Vieh, zu viel Anbau, zu viel Nutzung. Weil wir immer noch den Drang
verspüren, den Überfluss zu genießen, denn wer weiß, was morgen kommt.«
Moller war kein geborener Prediger wie Donnie Branca. Seine Stimme war sanfter, sein Ton unendlich freundlich, aber sein Glaube
an das, was er sagte, war genauso fest. Emma lauschte gespannt.
»Wir können die Geschichte nicht ändern. Wir können nicht all die Technologie und den Landbau wegwünschen, und wir können
ganz sicher nicht das Wesen des Menschen verändern. Der Pfau mit dem längsten, buntesten Schwanz hat die größte Chance, sich
zu paaren; wir verlassen uns dabei auf die Zahl der Rinder in unserem Kraal oder auf das Fabrikat des Autos in unserer Garage.
Deswegen regiert Geld die Welt. Menschen sind nicht wirklich fähig zum Schutz der Natur, ganz egal, was sie behaupten. Es
liegt einfach nicht in unserem Wesen. Ob wir darüber nachdenken, Öl zu fördern oder Bäume als Feuerholz zu fällen, die Umwelt
ist der Verlierer. Die einzige Möglichkeit, heutzutage eine vernünftige ökologische Balance zu erhalten, besteht darin, die
Menschen zu verbannen – vollständig. Das gesamte Konzept öffentlicher Wildparks hat versagt, ganz egal, ob es nationale, lokale
oder privat geführte Anlagen sind. Wissen Sie, wie viele Rhinozerosse dieses Jahr in Wildparks wegen ihrer Hörner erschossen
worden sind?«
Emma schüttelte den Kopf.
»Sechsundzwanzig. Zwanzig davon im Kruger. Wir haben zwei Wildhüter verhaftet – die Leute, die eigentlich die Tiere schützen
sollten. In KwaZulu sind zwei Weiße mitten am Tag in das Umfolozi Game Reserve gefahren, haben zwei Nashörner erschossen,
die Hörner abgesägt und sind davongefahren. Jeder weiß, dass es dort Nashörner gibt. Deswegen verschließe ich mein Tor. Je
weniger sie wissen, desto größer ist die Überlebenschance meiner Tiere.«
|114| »Das verstehe ich.«
»Deswegen will ich keine Touristen hier. Wenn man damit erst mal anfängt, ist es immer schwerer zu kontrollieren. Die Unterbringungen
im Kruger sind ungenügend, die Ansprüche steigen immer weiter. Jetzt bauen sie mehr. Wo hört es auf? Wer entscheidet? Sicher
nicht die Ökologie, so viel ist klar. Der Druck ist gleichermaßen politisch und finanziell. Tourismus ist die Lebensader unseres
Landes geworden, ein größeres Geschäft als die Goldminen. Er sorgt für Arbeit, bringt uns Devisen, ist aber auch ein Monster,
das wir nähren müssen. Und dieses Monster wird uns eines Tages auffressen. Nur Orte wie Heuningklip werden bleiben, aber nicht
für immer. Nichts kann sich in den Weg der Menschheit stellen.«
|115| 15
Wir warteten im Grillrestaurant des Aventura Badplaas Holiday Resort, während der Manager versuchte herauszufinden, wo Melanie
Lottering mittlerweile arbeitete.
Ich aß nach dem ganzen Biltong bei Moller nur einen Teller mit Gemüse und Salat. Emma bestellte Fisch und Salat. Als wir halb
fertig waren, kehrte der Manager mit einem kleinen Zettel zurück.
»Sie arbeitet immer noch für Aventura, im Bela-Bela Resort. Dort gibt es auch ein Spa«, sagte er und reichte Emma den Zettel.
»Sie ist mittlerweile verheiratet. Ihr Nachname ist Posthumus. Hier sind die Nummern.«
Emma bedankte sich bei ihm.
»Sie ist sehr gut mit den Gästen ausgekommen. Ich habe sie ungern gehen lassen.«
»Als was hat sie gearbeitet?«
»Kosmetikerin. Sie wissen schon, Kräuterbäder, Massagen, Thalasso-Behandlungen, Ganzkörper-Schlammpackungen …«
»Wann ist sie gegangen?«
»
Jislaaik,
lassen Sie mich nachdenken … Vor etwa drei Jahren.«
»Wie weit ist Bela-Bela?«
»Eine ganze Ecke … Etwas über dreihundert Kilometer. Der kürzeste Weg führt über Groblersdal und Marble Hall.«
»Vielen Dank.«
Er entschuldigte sich, und Emma zog ihr Handy heraus und rief in Bela-Bela an.
Als wir losfuhren, war es schon dunkel.
»Es wird ein langer Tag, Lemmer, ich hoffe, das stört Sie nicht«, sagte Emma. Sie klang erschöpft.
|116| »Es stört mich nicht.«
»Ich kann fahren, wenn Sie wollen …«
»Das ist nicht nötig.«
»Morgen können wir ausschlafen. Mehr kann ich nicht tun.«
Und was dann, wollte ich sie fragen. Würde sie dann zurück nach Kapstadt fahren und warten, bis Cobie de Villiers aus seinem
Versteck kam?
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