Weißer Schatten
er eine schwierige Entscheidung treffen. »Vielleicht sollten wir etwas
trinken«, sagte er und zeigte mit einem dreckigen Fingernagel in Richtung des Haupthauses.
Er ging vor, und ich konnte das Gefühl nicht abschütteln, etwas Entscheidendes übersehen zu haben.
Es war ein Haus ohne Charakter, ein weißes Haus mit einem ausgeblichenen rostigen Eisendach, errichtet in den phantasielosen
siebziger Jahren, vermutete ich, und später hatte man angebaut. Wir saßen auf einer mit Zementblöcken gepflasterten Veranda.
Ich vertrieb meinen Hunger mit einer großen Schale Biltong und trank drei Gläser Coke. Moller entschuldigte sich, dass er
die Erfrischungen selbst auf einem Tablett servierte. »Hier gibt es nur Septimus und mich, keine anderen Angestellten. Ich
habe leider nur Coke – ist das in Ordnung?«
»Natürlich«, entgegnete Emma.
Moller erzählte Emma seine Geschichte. Ich konnte sehen, dass er sie auf eine zurückhaltende, unsichere Art mochte.
Er sagte, er erinnere sich gut an Cobie de Villiers. »Er ist 1994 hier aufgetaucht, ich glaube im März, in einem uralten Nissan
1400 Pick-up.« Er sprach in einer gemessenen, geruhsamen Art, wie ein Mann, der einer etwas dämlichen Sekretärin diktierte.
»Damals verschloss ich das Tor noch nicht. Er klopfte an der Tür.«
Als Moller öffnete, stand ein junger Mann mit einer Baseballkappe in der Hand da, der sagte: »
Oom
, ich habe gehört, Sie bauen ein Naturschutzgebiet auf.«
Moller bestätigte das.
|109| »Dann würde ich gern für Sie arbeiten.«
»Es gibt eine Menge Naturschutzgebiete mit Jobs für Wildhüter …«
»Die suchen Guides, die Touristen herumführen,
oom
. Das will ich nicht machen. Ich will mit den Tieren arbeiten. Das ist das Einzige, was ich kann. Ich habe gehört, Sie sind
nicht auf Touristen aus.«
Es gab etwas an Cobus – eine schlichte Entschlossenheit, eine starke Überzeugung –, das Moller gefiel. Er bat ihn herein und
fragte nach Referenzen.
»Tut mir leid,
oom
, ich habe keine. Aber ich habe zwei Hände, mit denen ich alles tun kann, und Sie können mich über Naturschutz fragen, was
Sie wollen. Alles.«
Also fragte Moller ihn, ob es gut sei, Ilala-Palmen auf seinem Land zu pflanzen.
»Nein,
oom
.«
»Warum nicht? Sie sind gutes Futter. Für die Flughunde. Und die Affen, Elefanten und Paviane mögen die Nüsse ebenfalls …«
»Das stimmt,
oom
, aber es ist ein Lowveld-Baum. Hier sind wir zu hoch über dem Meeresspiegel.«
»Und Tamboti?«
»Tamboti ist gut,
oom
. Dies ist sein Gebiet. Pflanzen Sie sie in Flussnähe, sie mögen Wasser.«
»Und sind sie gut für das Wild?«
»Ja,
oom
. Perlhühner und Frankoline essen die Früchte, und Kudu und Nyala mögen die Blätter, die herunterfallen.«
»Tamboti ist auch gutes Brennholz«, sagte Moller als abschließenden Test.
»Aber grillen Sie nicht darauf,
oom
. Das Gift macht die Menschen krank.«
Moller hatte genug gehört. In dieser Nacht noch bezog Cobie de Villiers eine renovierte Arbeiterhütte und schuftete in den
nächsten drei Jahren härter, als Stef Moller jemals jemand hatte arbeiten sehen – von der Morgendämmerung bis spät in die
Nacht, sieben Tage die Woche.
|110| »Er wusste einfach alles über die Natur. Ich habe viel von ihm gelernt. Sehr viel.«
»Hat er jemals über seine Vergangenheit gesprochen? Wo er all das Wissen her hat?«
»Ah, meine Liebe …« Stef Moller nahm seine Brille ab und begann sie mit seinem dreckigen T-Shirt zu putzen. Seine blassblauen
Augen wirkten verwundbar ohne den Schutz der dicken Linsen. »Die Menschen …« Er setzte die Brille wieder auf. »Sie kommen
her, aber es interessiert sie nicht, wie wir den Boden geheilt haben. Sie stellen andere Fragen. Wo komme ich her? Wie habe
ich mein Geld verdient? Das gefällt mir nicht. Die Vergangenheit eines Menschen … Man sollte einen Mann nicht danach beurteilen,
wie viele Fehler er im Leben gemacht hat, man sollte ihn beurteilen danach, wie viel er aus diesen Fehlern gelernt hat …«
Er schwieg, als hätte er ihre Frage beantwortet.
Emma las daraus, dass Cobie nichts erzählt hatte. »Warum ist er gegangen?«
Moller zwinkerte schnell. »Ich weiß es nicht …« Er zuckte mit den Achseln. »Er hat es nicht gesagt. Er bat um zwei Wochen
Urlaub. Und dann ist er verschwunden. Er hat nicht einmal all seine Sachen mitgenommen. Vielleicht …« Dann schaute er in die
Ferne, wo die Sonne tief über dem grünen Berg hing.
»Vielleicht
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