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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Schüchternheit verschwand. Sie schliefen unter den Sternen neben einem Feuer, und er sagte ihr, dass
     er bei Stef Moller seine Nische gefunden hatte; er würde gern für immer dort bleiben, sie hatten noch so viel vor, so viele
     Pläne. Mollers Gebiet umfasste fünfzigtausend Hektar, das Ziel waren siebzigtausend, dann konnten sie Löwen und Windhunde
     auswildern, aber nicht alle anliegenden Farmer wollten verkaufen.
    Sie war diejenige, die von Heirat zu reden begann, »denn Cobie war zu schüchtern«. Anfangs schien er ihre Andeutungen nicht
     zu bemerken, später begann er zu sagen: »Vielleicht, |121| irgendwann.« Melanie hatte eine Erklärung dafür. »Er war es einfach gewöhnt, allein zu sein, verstehen Sie.« Sie hatte geholfen,
     ihm das abzugewöhnen. Sie hatte ihm gesagt, sie würde mit ihm im Reservat leben, für ihn den Haushalt führen, mit ihm ins
veld
gehen, sie würde überhaupt keinen gesellschaftlichen Druck auf ihn ausüben. Schließlich begann er sich für die Idee zu begeistern
     – auf seine eigene stille Weise.
    Ich hatte meine eigenen Theorien darüber, wie sie diese Begeisterung entfachte.
    »Eines Abends kam er ins Resort, und er war so ernsthaft, er sagte, bevor wir heiraten können, müsse er noch etwas erledigen,
     er werde ein oder zwei Wochen weg sein, danach bekäme ich einen Ring von ihm. Und ich fragte ihn, was er vorhatte, aber er
     sagte, er könne es mir nicht sagen, aber er müsse das Richtige tun, und er werde es mir eines Tages erzählen.«
    Sie sah ihn nie wieder.
    »Können Sie sich an das Datum erinnern?«
    »Das war der 22. August 1997.«
    Emma hatte ihren Zettel herausgezogen – und das Foto des jungen Jacobus le Roux. Wortlos schob sie das Bild über den Couchtisch.
     Während Melanie Posthumus es anschaute, hatte Emma noch etwas auf ihren Zettel geschrieben. Melanie starrte das Foto lange
     an, dann sagte sie: »Ich weiß nicht.«
    Ihr Mann, Johan Posthumus, kam, als wir gehen wollten. Er war nicht viel größer als seine Frau. Er hatte abstehende Ohren
     und ein kleines Bäuchlein. Er behandelte Melanie, als könnte er sein Glück noch immer nicht fassen.
    Als wir fuhren, standen sie dicht beieinander im Licht der Veranda. Er hatte eine Hand auf die Schulter seiner Frau gelegt,
     mit der anderen winkte er uns nach. Ich las Erleichterung in seiner Geste.
    Als wir um Viertel nach elf an diesem Abend auf die N1 bogen, machte Emma noch eine Notiz, dann steckte sie Stift und Papier
     weg und starrte lange zum Fenster hinaus. Ich fragte mich, worüber sie nachdachte. Würde sie wie ich über Melanie |122| Posthumus grübeln – intellektuell eher bemüht, aber gesegnet mit der instinktiven uralten Weisheit, genau zu wissen, wie sie
     ihren Körper und ihr hübsches Gesicht einsetzen musste, um den zurückhaltenden Cobie de Villiers zu schnappen? Ich saß da
     und dachte an Melanie, an ihr atemloses Geplapper voller kindlicher Naivität und fragte mich: Warum Cobus? Als Kosmetikerin
     musste sie doch Kontakt zu vielen wohlhabenden Männern haben. Was an ihrem Selbstbild und ihrer genetischen Disposition hatte
     ihre Wahl auf den »Outlander« fallen lassen. (Diese Mutation von »Outsider« war vielleicht ihr lustigster Fehler, er verriet
     eine Menge über das aufkeimende Syndrom der Quasi-Intellektuellen. Das Satellitenfernsehen brachte
National Geographic
,
Discovery
und den
History Channel
auch zu der breiten Masse, sodass alle den Jargon kannten, aber die Terminologie war oft fehlerbehaftet.) War es einfach nur,
     dass Melanie den einen haben wollte, der nicht sofort wie ein Pawlowscher Hund nach ihr schnappte? Schönen Frauen geht es
     so, denn das ansehnliche Äußere verbirgt oft eine nagende Unsicherheit.
    Und das brachte mich auf die Frage, ob Emma immer noch glaubte, dass Cobie de Villiers aus Heuningklip und Mogale ein und
     derselbe war wie Jacobus le Roux. Ich versuchte, den Drang, ihren verschwundenen Bruder zu finden, abzuwägen mit den Beweisen
     dieses Tages, und kam zu einem einzigen möglichen Schluss – ihre Hoffnungen waren bei Null angelangt. Die Beweise sprachen
     dagegen. Aber andererseits war ich ein objektiver Beobachter.
    Emma war keine Melanie Posthumus. Sie war klug, eine gestandene Frau. Ich respektierte ihr Durchhaltevermögen, ihren gnadenlosen
     Kreuzzug, um die Wahrheit zu enthüllen, um »absolut sicher« zu sein, wie sie mehrfach gesagt hatte. Aber konnte sie die Wahrheit
     erkennen, wenn sie direkt vor ihrer Nase stand? Konnte sie

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