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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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ging es eine Weile besser.
    Ich wollte weg, von ihm und aus Seapoint. Mein Karate-Sensei war Polizist. Er wollte mich für die Polizei-Karatemannschaft.
     Ich schrieb mich ein, weil man nach Pretoria musste. Das war weit genug weg. Dort entdeckten sie mich und engagierten mich
     als Bodyguard. Das war ich zehn Jahre lang. Ein Jahr beim Verkehrsminister. Dann setzte er sich zur Ruhe. Acht Jahre mit dem
     weißen Landwirtschaftsminister. Und das letzte Jahr mit dem schwarzen Bildungsminister.
    Mein erstes Jahr … Der Verkehrsminister war ein unglaublicher Mann. Er hat mich
gesehen
. Er sah jeden. Vielleicht sah er zu viel – spürte zu viel. Vielleicht hat er sich deswegen erschossen. Aber ich habe oft
     gedacht: Warum konnte nicht so jemand mein Vater sein?«

|201| 25
    Ich hatte vier Stunden mit Emma le Roux geredet, bevor Doktor Eleanor Taljaard kam und sagte, ich solle essen gehen.
    Ich hatte Emma nicht alles erzählt – nicht von Mona.
    Die Worte hatten mir auf der Zunge gelegen.
    Es war eigenartig, all diese Monster in meinem Kopf loszulassen. Es war eine Lawine, ein trockenes Flussbett nach dem Regen,
     ein Rinnsal, ein Strom, eine Flut, die alles mit sich riss.
    Aber als ich bei Mona war, hatte ich nicht genug Schwung, die Wolken trockneten plötzlich aus. Mona aus Pretoria. Mona aus
     Muckleneuk. Eine ausgesprochen weibliche Frau, vier Zentimeter größer als ich.
    Ich saß neben Emma und dachte an die Geschichte mit Mona. Ich traf sie im Sommer 1987, ein Jahr, nachdem ich als Bodyguard
     angefangen hatte. Sie arbeitete bei einem Friseur in Sunnyside, und ich musste mir die Haare schneiden lassen. Sie sagte:
     »Warum lässt du sie nicht ein bisschen wachsen?«
    »Das hilft nicht«, sagte ich.
    Ich nahm Platz, und sie setzte einen Aufsatz auf die Schere und führte sie vorwärts und rückwärts über meinen Kopf, ohne ein
     weiteres Wort zu sagen. Ich beobachtete sie bei der Arbeit. Sie hatte kräftiges braunes Haar und ein hübsches Gesicht mit
     rosigen Wangen. Ihre Haut war glatt und gesund. Sie trug ein weites Kleid, konnte aber nicht die großzügigen Kurven ihrer
     Brüste und Hüften verbergen. Ihr Ringfinger war nackt.
    Sie ging irgendetwas holen. Ein Kollege machte eine Bemerkung, die ich nicht hören konnte. Mona lachte – es war ein wunderbares
     Geräusch, musikalisch, klar und ehrlich. Ich folgte der Richtung dieses Klangs und sah, wie das Lachen ihren Körper ganz einnahm.
    |202| Als sie fertig war und mein Haar gewaschen hatte, fragte ich sie, wie sie heiße, und sie sagte: »Mona.«
    »Darf ich dich am Freitag auf eine Pizza einladen, Mona?«
    »Wie heißt du?«
    »Ich bin Lemmer.«
    Sie schaute mich zwei Herzschläge lang an, dann sagte sie: »Das darfst du.«
    Ich holte sie in ihrer Wohnung in der Berea Street ab, und wir aßen in der Esselen Street. Keiner von uns war besonders gut
     im Smalltalk, aber es war angenehm, beisammen zu sein, als würden wir uns schon lange kennen. Wir waren Einzelkinder, die
     niemals erwachsen geworden waren.
    Ich weiß noch, dass sie mich fragte: »Wieso bist du so dünn, wenn du so viel isst?«
    »Sport.«
    »Was für Sport?«
    »Fünfzig Klimmzüge, Sit-ups und Liegestützen am Morgen, dasselbe am Abend. Außerdem laufe ich fünfzig Kilometer die Woche.«
    »Warum das alles?«
    »Für die Arbeit.«
    Mona schüttelte langsam den Kopf. »Gott sei Dank bin ich Friseurin.«
    Ich wollte sie wieder lachen hören. Mehr als das: Ich wollte es aus ihr herauslocken, ich wollte der Grund sein, dass diese
     Melodie erklang, denn es war das Geräusch des Glücks, der Zufriedenheit, von allem, das gut und richtig auf der Welt war.
    Ich brachte Mona an jenem Abend zurück in ihre Wohnung, sie bat mich herein, und ich blieb neun Jahre. Es war Arbeit, sie
     zum Lachen zu bringen. Ich musste in mir nach einem Sinn für Humor suchen, ich musste Platz machen für jemanden, der albern
     und von amüsanter Leichtigkeit sein konnte, der offen war für einen Scherz, denn Monas Lachen ließ sich nicht vorhersehen.
     Es war flüchtig und unberechenbar wie die Zahlen der staatlichen Lotterie. Aber wenn ich den |203| Jackpot gewann, war die Belohnung großartig, sie von Freude überwältigt zu sehen.
    Mona veränderte mich, ohne es zu wissen. Man hat nur Platz für eine bestimmte Menge Ballast. Wenn man Humor und Leichtherzigkeit
     einlässt, muss man Groll und Melancholie über Bord werfen. Dann reist man leichter und unbeschwerter.
    Es gab noch andere Lektionen. Mona akzeptierte

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