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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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es eilig nach der Karatestunde. Ich duschte, zog mich um und
     lief die Treppe zu meinem Wagen herunter. Vier von ihnen |208| waren auf Demetru Niculescu losgegangen. Er war einer meiner Schüler, Rumäne, fünfzehn Jahre alt, mit schlimmer Akne und langen
     Haaren. Die Männer waren zwischen zweiundzwanzig und fünfundzwanzig, dieses Klugscheißer-Alter, in dem man nichts ist, aber
     alles weiß. Vier Weiße mit Fitnessstudio-Muskeln und einer Gangmentalität drangsalierten Demetru.
    ›Zeig uns mal was, Karate-Kid.‹
    ›Hey, tolle Pickel, Alter. Züchtest du die im Dunkeln wie Pilze?‹
    Als Demetru den Mund öffnete, verspotteten sie seinen Akzent.
    ›Wo verdammt bist du her?‹
    ›Seapoint.‹
    ›Quatsch, Alter. Was steht in deinem Pass?‹
    ›Südafrika.‹
    ›Ist dein Daddy in der Russenmafia?‹
    Mehr habe ich nicht gehört. Ich habe gesagt: ›Lasst den Jungen in Ruhe.‹
    ›Wow, der Karatemeister. Jetzt hab ich aber Schiss.‹
    ›Geh nach Hause, Demetru.‹
    Er verschwand erleichtert.
    Der Größte von ihnen hatte meinen Akzent bemerkt.
    ›Hey, fliegender Holländer, zeigst du uns ein paar tolle Kicks?‹
    Ich ging weg. Er folgte mir. ›Ich rede mit dir, Holländer.‹ Die anderen riefen: ›Willst du dich verpissen? Wir tun dir nix,
     Chop Suey.‹
    Ich hörte die Schritte des Größten hinter mir. Ich wusste, wenn er mich anfasste, würde es Ärger geben. Er folgte mir bis
     auf den Parkplatz. Ich spürte seine Hand auf meiner Schulter und drehte mich um; da stand er, größer und kräftiger, und ich
     war bereit, absolut bereit.
    Ich sagte zu ihm: ›Ich bring dich um.‹ Ich wusste, dass es die Wahrheit war – und er wusste es auch.
    Etwas veränderte sich in seinem Blick, ich sah den Hauch |209| Angst. Das hat mich in diesem Augenblick aufgehalten. Ich hatte es nicht erwartet, doch ich vermute, diese Angst war es auch,
     die ihn dazu brachte, mir hinterherzufahren, dieser Augenblick, in dem er sein Gesicht verlor.
    Ich wandte mich ab, stieg in meinen Wagen und fuhr weg, ohne mich umzuschauen.
    Ich wollte durch Waterfront fahren, um Zeit zu sparen. Es war viel los an dem Kreisverkehr vor dem BMW-Pavillon. Ich spürte,
     wie ein anderer Wagen mich von hinten antippte. Nicht schlimm. Nur leicht. Dann sah ich sie in einem Golf GTI in meinem Rückspiegel.
     Sie riefen und gestikulierten. Also stieg ich aus.
    Ich hätte nie aussteigen sollen, Emma. Ich hätte weiterfahren sollen.
    Sie stiegen auch aus.
    Wir reden mit dir, Arschloch.‹
    Was glaubst du, wer du bist?‹
    ›Du beschissene haarige Affenfotze.‹
    Der Große war der Fahrer des Golfs. Vincent Michael Kelly – Vince, vierundzwanzig Jahre alt, Rechtsanwaltsgehilfe bei KPMG,
     einsneunzig groß, fünfundneunzig Kilo. All das habe ich vor Gericht erfahren.
    Ich besah mir das Hinterteil meines Wagens. Kein Schaden.
    ›Hey, er redet mit dir.‹
    Alle vier kamen näher. Vince trat vor mich. ›Hast du ein Problem mit den Ohren, du Penner?‹ Er stieß mich gegen die Brust.
    Während der Verhandlung war von Steroiden die Rede, aber wir konnten nichts beweisen. Ich glaube, dass sie welche nahmen,
     weil sie zu viert waren, weil sie jung waren und kräftig. Ich war kleiner und schlanker als sie. Das sorgt für eine optische
     Täuschung. Aber ich glaube, letztendlich lag es daran, dass Vince vor dem Gym einen Augenblick lang nicht der Mann war, der
     er zu sein glaubte. Er war mir nachgekommen, damit er nicht mit diesem einen Augenblick der Schwäche leben musste.
    Er stieß mich, und ich schlug ihn – nicht hart, bloß kräftig |210| genug, um ihn zur Vernunft zu bringen, aber er kam nicht zur Vernunft. Dann legten die anderen los. Ich habe es versucht,
     Emma. Ein Teil von mir wusste, was passieren würde, wenn ich locker ließ. Ich habe es versucht. Aber wir sind, wer wir sind.
     Das habe ich gelernt in dieser Nacht. Ganz egal, was sie sagen, ganz egal, wie sehr die Gefängnispsychologen sich bemühen
     – wir sind, wer wir sind.
    Deswegen bin ich nach Loxton gezogen, Emma. Deswegen habe ich nach meiner eigenen Sippe gesucht. Ich musste solche Situationen
     vermeiden. Ich musste versuchen, Schwierigkeiten auszuweichen. Wenn ich jetzt an dieser Straße an diesem Kreisverkehr stünde,
     wenn sie wieder auf mich losgingen, würde ich genau dasselbe tun, ich würde an jenen Ort treten, in diese andere Welt.
    Wenn es nur einer gewesen wäre, hätte ich mich nicht verloren, doch an zwei, drei oder vier Typen ist etwas, was einem andere
     Rechte

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