Weißer Schatten
Sprache, die nicht leicht zu entschlüsseln war. »Können Sie mir das genauer erklären?«
»Ich habe irgendwie keine Beweise, Kumpel. Aber man hört Sachen …«
»Was zum Beispiel?«
»Zum Beispiel … Also ich erzähl’s Ihnen.«
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Dick sagte, vor zwei Jahren, nur ein paar Monate, nachdem er in Mohlolobe angefangen hatte, hätte ein Mann namens Domingo
Branca eine Nachricht für ihn an der Rezeption hinterlassen. Der Inhalt war lässig und freundlich: Ob er Lust habe, ein paar
andere junge Leute in der Gegend kennenzulernen? Lass uns mal was trinken gehen am Samstagabend im Warthog Bush Pub, einer
Kneipe am Flughafen neben dem Kiesweg nach Guernsey.
Es waren vier gewesen. Donnie Branca und Cobie de Villiers aus Mogale, David Baumberger vom Molomahlapi Private Game Reserve
und Boetie Strydom von der Makutswi Wildlife Ranch. Anfangs war es ein netter, lockerer Abend gewesen. Sie hießen ihn im Lowveld
willkommen, erkundigten sich nach seinem Hintergrund, plauderten über ihre verschiedenen Arbeitgeber, erzählten sich Geschichten
über die sexuellen Gelegenheiten, die sich mit Touristinnen ergaben, von den merkwürdigsten Orten und Umständen, unter denen
sie ihre entsprechenden Dienste geleistet hatten, und über das skandalöse Niveau im Rugby in Südafrika.
Ein typisches Gespräch unter jungen, unverheirateten Männern.
Branca war der Anführer der Gruppe; das war von Anfang an klar.
Baumberger war der Clown, Strydom der Erfahrene, der in der Gegend aufgewachsen war, und de Villiers sagte praktisch nichts.
Ein paar Stunden und etliche Biere später steuerte Branca das Gespräch in eine andere Richtung. Erst ein Jahr später, als
er die anderen Geschichten hörte, hatte Dick begriffen, |246| wie geschickt das alles durchgezogen worden war. Von Tratsch, Sex und Rugby kamen sie auf Tiergeschichten, Naturschutz, die
Sorge über die aktuelle Entwicklung, die stetige Zunahme an Wildfarmen, den Wettbewerb, das schlechte Management der Nationalparks,
die Landforderungen, die wachsenden Bedrohungen für das Ökosystem. Sie machten es vorsichtig, ohne radikale Aussagen, keine
direkten Vorwürfe oder politisch unkorrekte Bemerkungen. Nur ein erstes Antesten des Wassers: Wo stand Dick eigentlich, was
alle diese Fragen betraf?
Und Dick stand eigentlich nirgendwo. Er war bloß ein ehemaliger Surfer aus Port Elizabeth, der einen Job gefunden hatte, der
perfekt zu seinem Lebensstil passte. Er war den ganzen Tag draußen, er fand die Natur »cool«, und es gefiel ihm, wie die Touristen
an seinen Lippen hingen, wenn er ihnen Sachen erzählte, die er irgendwann mal irgendwo aufgeschnappt hatte.
»Am nächsten Wochenende bin ich zurück in den Pub gegangen, aber sie waren nicht da. Und später begriff ich – ich war sozusagen
durchgefallen, verstehen Sie? Die haben mich nie wieder eingeladen.«
In den Monaten danach begann er Gerüchte zu hören. Nichts Handfestes, aus verschiedenen Quellen und an den unterschiedlichsten
Orten. Zuerst waren da die anonymen Warnungen an Farmer und Geschäfte wegen des Schadens, den sie der Natur zufügten. Später
wurden die Briefe drohender. Sie waren immer mit den Initialen H. B. unterzeichnet.
Dann gab es mehr als Briefe.
Fotos von schwarzen Wildhütern, die einen Bock über dem Feuer brieten, wurden dem Management des Kruger-Parks zugestellt.
Nachts geschahen Dinge. In Ga-Sekororo zwischen dem Lagalameetse Nature Reserve und der Makutsi Conservancy wurden alle Hunde
eines Dorfes vergiftet. Auf dem Stammesland jener Gruppe, die eine Landforderung gegen eine berühmte Wildfarm aufrechthielt,
wurden nachts Schüsse abgegeben.
Niemand wusste, wer dafür verantwortlich war. Wie immer |247| gab es Theorien und Vorwürfe, Schuldzuweisungen und Ignoranz. Die Buchstaben H. B. waren Grundlage der meisten Spekulationen.
Hendrik Bester, der Bananenbauer, wurde so dermaßen angefeindet, dass er überlegte, zu verkaufen. Die Leute stritten sich,
ob es eine Abkürzung auf Latein, Englisch, Afrikaans, Sepedi oder Venda war.
Die Zwischenfälle begannen zu eskalieren. Zwei mutmaßliche Wilderer wurden durch Schlingenfallen für Leoparden auf dem Fußweg
schwer verletzt, den die Leute aus Tlhavekisa in der Nähe des Manyeleti Game Reserve benutzten. Eine Sägemühle außerhalb von
Graskop, die ein Feuchtgebiet verschmutzt hatte, brannte nieder. Zwei Männer aus Dumfries wurden zusammengeschlagen und an
die Impala gefesselt, die sie im Sabi
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