Weißer Schatten
kontrollieren alles, Kumpel. Man kann keinen Hektar bebauen, wenn sie nichts abbekommen.«
»Ich dachte, der ANC kontrolliert den Stadtrat in Nelspruit.«
»Geld regiert die Welt. Man kann alles kaufen.«
Aber eine Sache passte nicht. »Dick, wenn die Afrikaaner hinter all dem stecken – warum sollten sie dann einen englischen
Namen wählen?«
»Das verstehe ich nicht, Kumpel.«
|250| »H. B. ist eine Abkürzung für ein englisches Wort …
Honey Badger
.«
Er schüttelte erstaunt den Kopf. »Radikal, Mann, total radikal.«
Dem hatte ich nichts hinzuzufügen.
Ich fuhr und dachte darüber nach, wie die Leute einen überraschen konnten.
Zuerst Jeanette Louw, ehemaliger Sergeant-Major, hart wie Stahl, lässt sich nichts bieten, lässt sich von niemand was sagen,
bringt keinen Euphemismus oder ein mitfühlendes Wort über die Lippen. Aber als ich sie um einen Wagen bat, bekam ich einen
teuren Audi A4 – sie hätte mir auch einen Nissan Almera oder einen Toyota Corolla geben können.
Ich wollte eine Schusswaffe, und sie gab mir eine Glock vom Schwarzmarkt ohne Seriennummer. Sie testet sie vorher auf dem
Schießplatz und bringt sie persönlich. Sie hätte sie B. J. und Barry mitgeben können. »Mit dir ist alles in Ordnung«, sagt
sie, als sie mich sieht. Aber auf dem Parkplatz befiehlt sie mir auf ihre despotische Tour: »Lemmer, jetzt
sag
mir, wie geht es dir?« Und die Besorgnis in ihrem Blick grenzte an Mütterlichkeit.
Jeanette, die sagte: »Sie ist zu mir gekommen und hat gesagt, sie wolle den Besten. Geld spiele keine Rolle. Deshalb habe
ich dir den Auftrag gegeben.«
Ich glaubte immer noch, dass sie mich verarscht hatte.
Und jetzt
Dick – Leitender Wildhüter
. Auf den ersten Blick hatte ich ihn für einen arroganten, nervtötenden, Englisch sprechenden Blödmann gehalten. Doch dann
fährt er mir hinterher, weil er auf Emma steht, und zeigt seine wahre Gesinnung: harmlos und … naiv, wollte man fast sagen.
Dass er auf Emma stand, überraschte mich nicht. Er war ihr Typ und musste ein instinktives Gefühl dafür haben. Sein Interesse
war offensichtlich gewesen, vom ersten Mal an, wo er sie zu Gesicht bekommen hatte. Ich hatte bloß nicht damit gerechnet,
dass er sich so viel Mühe gab. Und dann hatte er |251| auch noch herauszufinden versucht, ob Susan zur Verfügung stünde, um mich zu beschäftigen, während er sich an Emma heranmachte.
Hatte eine hübsche junge Blondine in dieser Ecke Lowvelds so wenig Möglichkeiten, dass sie sich für Lemmer aus Loxton interessierte?
Während Dick mir von Susan vorschwärmte, konnte ich nur an die schwarze Mamba der Eifersucht denken, die ich an meinem Busen
nährte. Das Bedürfnis, ihn am Kragen seines khakifarbenen Hemds zu packen und ihm zu sagen, er solle seine Wildhüterpfoten
von Emma lassen.
Die Leute – sie überraschten einen immer wieder.
Wie Donnie Branca, der auf seinem kleinen Podium stand und mit so viel Kenntnis und Leidenschaft vom Überlebenskampf afrikanischer
Geier erzählte. Jetzt war er vielleicht ein Ökoterrorist, der auf der Lauer lag, um mitten in der Nacht Wilderer zu verprügeln,
Gesicht und Hände verdeckt, um seine Identität zu schützen. Konnte er einer der Angreifer am Bahngleis gewesen sein? Hatten
sie deswegen Balaclavas und Handschuhe getragen? Um ihre Hautfarbe zu verbergen?
Vielleicht.
Aber Branca war keiner von ihnen gewesen. Ich hatte ihn mir genau angesehen. Ich wusste, wie er sich bewegte, wie er ging,
wie er stand, wie er aussah. Er war athletisch, gelenkig und fit. Die Balaclava-Männer waren beide kleiner, und sie waren
unsicherer auf den Beinen. Nicht wirklich ungeschickt, aber sie kannten sich nicht gut aus im
veld
; das war nicht ihre natürliche Umgebung.
Branca hätte sie schicken können. Er konnte Teil des Netzes sein, von dem Dick erzählt hatte.
Aber warum sollte Emma le Roux eine Bedrohung für ihn darstellen? Warum würde die H. B.-Gruppe drei maskierte Kerle ans Kap
schicken, bloß weil eine kleine junge Frau bei Inspector Jack Phatudi angerufen hatte? Und woher wüssten sie überhaupt von
dem Anruf? Was hätten sie von ihr gewollt? Und warum?
Der Angriff in Kapstadt und der Zwischenfall an den |252| Gleisen konnten zwei verschiedene Gruppen gewesen sein. Oder dieselben Leute. Jede Möglichkeit barg ihre eigenen Fragen und
Implikationen. Jack Phatudi gehörte zu irgendetwas – oder auch nicht. Cobie de Villiers war Jacobus le Roux – oder nicht.
Der
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