Weißer Schatten
und an
dem Mann vor mir abarbeiten. Ich wollte an diesen anderen Ort treten, wo die Zeit stillstand, in den Saal mit dem rot-grauen
Nebel. Die Tür stand weit offen und lockte.
Hinterher fragte ich mich, was mich daran gehindert hatte. Waren es die anderen Polizisten gewesen?
Hoffentlich war ich kein Idiot. Hatte mich die Weisheit aller Knastvögel aufgehalten, die Erkenntnis: Du musst auf der anderen
Seite wieder heraus, zurück in die Wirklichkeit, wo du teuer für dein Vergnügen löhnst? Und dass ich es mir nicht leisten
konnte, diesen Preis noch einmal zu zahlen? Oder war es der Schatten einer Frau, die mit dem Gesicht im Regen und die Arme
zum Himmel gestreckt da stand?
Ich trat zurück vom Abgrund – weg von Phatudi. Kleine, zögernde Schritte.
Dann wandte ich mich ab.
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Phatudis Truppen lachten mich aus, als ich zum Audi ging.
Als ich einstieg, sah ich ihn mit geschwellter Brust und einem zufriedenen Grinsen dastehen.
Ich ließ den Motor an und fuhr davon.
Hinter dem Bahnhof ließ ich meiner Wut freien Laut, schaltete den Wagen in einen niedrigen Gang und trat aufs Gas. Das Hinterteil
brach auf dem Kies aus, und ich kämpfte mit dem Steuer, bekam den Wagen unter Kontrolle, beschleunigte wieder, ließ die Reifen
durchdrehen, dann packten sie zu. Der Audi schoss vorwärts, jaulte laut auf dabei. Ich ging die Gänge durch, wollte das Gaspedal
durch den Boden treten, verdammte 160, und da kam die R40-Kreuzung. Ich musste bremsen, und der Wagen zitterte. Einen Moment
lang wusste ich nicht, ob ich es schaffen würde, aber dann hielt ich in einer Staubwolke. Ich bemerkte, dass meine Finger
am Lenkrad klebten. Ich wollte etwas sagen, brüllen, fand aber keine Worte.
Ich öffnete die Tür und stieg aus. Ein Laster samt Anhänger donnerte auf der R40 vorbei, hochbeladen mit dicken Stämmen. Ich
schrie ihn an, ein sinnloser Laut.
Ein Minibus-Taxi fuhr in die andere Richtung. Die schwarzen Gesichter darin starrten mich an – ein verrückter Weißer am Straßenrand.
Ich wusste nicht, wohin. Das war mein Problem. Das war der Hauptgrund meiner Wut.
Phatudi hatte mich geködert, verhöhnt und provoziert, aber das hatte ich überstanden. Ich konnte auf ihn warten, auf den richtigen
Zeitpunkt und den richtigen Ort. Aber gegen die Tatsache, dass meine Möglichkeiten auf null geschrumpft waren, konnte ich
nichts unternehmen.
|259| Unterwegs zu dem Haus mit der rosafarbenen Betonmauer hatte ich drei Möglichkeiten gehabt. Edwin Dibakwane und der Brief.
Jack Phatudi und der Anruf. Donnie Branca und Mogale. Und jetzt hatte ich keine mehr. Edwin Dibakwane war tot. Jemand hatte
ihn gefoltert und erschossen und seine Leiche in einer Plantage zurückgelassen. Die Verbindung zwischen Brief und Verfasser
war zerbrochen. Möglichkeit Nummer eins konnte ich streichen.
Nein, nicht ganz. Dibakwane würde den Leuten, die ihm die Fingernägel ausgerissen haben, gesagt haben, von wem er den Brief
erhalten hatte. Irgendwer wusste das. Aber ich nicht. Es half mir also nicht.
Phatudi hatte die Wahrheit gesagt. Trotz allem war seine Überraschung über den Angriff auf Emma und die Verbindung zu dem
Anruf mit ihm ehrlich gewesen. Also konnte ich Möglichkeit Nummer zwei auch streichen.
Blieb das Mogale Rehabilitation Centre.
Der Drang, sofort dorthin zu fahren und Donnie Branca zusammenzuschlagen, bis er mir sagte, was los war, überwältigte mich.
Ich wollte jemand bestrafen – für Emma.
Ich wollte den Schädel eines Schuldigen gegen eine Wand, einen Felsen oder den Fliesenboden schmettern, wieder und wieder,
ich wollte sein Hirn vor und zurück gegen die Seiten des Schädels prallen lassen, bis seine Großhirnrinde Wackelpudding wäre.
Ich wollte den beiden maskierten Kerlen von den Gleisen die Arme verdrehen, bis sie ihnen aus den Gelenkpfannen sprangen und
ich die Sehnen reißen und die Knochen splittern hörte. Ich wollte mir den Scharfschützen packen, sein Gewehr nehmen und ihm
damit die Zähne einschlagen, und dann wollte ich meinen Finger auf den Abzug legen, ihm in die Augen schauen, bevor ich abdrückte,
und sagen: »Wiedersehen, Arschloch.«
Aber wer steckte hinter alldem? Und wo würde ich diese Leute finden?
Branca war meine letzte Hoffnung. Was sollte ich machen, wenn er sich weigerte, mit mir zu reden? Was blieb, wenn ich |260| ihn verprügelte und er trotzdem nichts sagte? Weil er es nicht riskieren konnte, weil die ganze Geschichte zu weit gediehen
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