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Weißer Schatten

Titel: Weißer Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deon Meyer
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Country-Pub auf der Suche nach Charakter.
    »Tertia«, sagte sie und streckte mir ihre ringschwere Hand hin. Der Name passte nicht zu ihr.
    »Lemmer«, sagte ich und schüttelte ihr die Hand, die kühl von den Dosen war. Ihr Blick verriet Neugier.
    »Sie sehen nicht wie ein Tourist aus.«
    »Wie sehen denn Touristen aus?«
    »Kommt drauf an. Die Ausländer tragen Safari-Klamotten. Die Gautenger aus Johannesburg und Pretoria bringen Frau und Kinder
     mit. Sie legen erst mal ihr Handy hin, dann eine dicke Geldbörse daneben. Wollen ein bisschen angeben und keine Anrufe verpassen.«
    Ich goss mein Dry Lemon über das Eis.
    Sie lehnte sich mit der Hüfte gegen das lange Regal neben sich und verschränkte ihre Arme. »Sie sind kein Verkäufer, kein
     Farmer und nicht aus dem Freistaat.«
    »Das ist klar«, sagte ich und trank einen langen Schluck.
    »Ihr Haar ist zu kurz für Durban, ihre Sachen sind … ich weiß nicht, zu entschlossen für jemand vom Kap.«
    »Entschlossen?«
    |263| »Kapstädter ziehen sich an, ohne nachzudenken. Sie haben sich etwas gedacht, ich weiß nur nicht, was.«
    »Gefällt Ihnen nicht, was ich anhabe?«
    »Was Sie anhaben, geht mich nichts an. Es ist eine Beobachtung, kein Werturteil.«
    »Sie sehen genau hin.«
    »Sie auch.«
    »Woher wissen Sie das?«
    Tertia beugte sich vor und griff nach einem Päckchen Cartier-Zigaretten und einem weißen Wegwerffeuerzeug. Sie war sich ihrer
     Brüste durchaus bewusst. »Ich habe Sie reinkommen sehen.« Sie zog eine Zigarette mit den grünen Nägeln heraus. »Die meisten
     Leute gucken unsicher, wenn sie hereinkommen. Sie waren bloß neugierig.«
    Sie hob die Zigarette. »Ich würde Ihnen eine anbieten, aber Sie rauchen nicht.« Sie zündete die Zigarette an und sog den Rauch
     tief ein.
    »Sie haben echt Talent. Damit könnten Sie Geld verdienen.«
    Mit wachsamem Blick stieß Tertia den Rauch aus. »Hundert Rand, dass ich raten kann, was für einen Beruf Sie haben.«
    »Und wenn nicht?«
    »Dann geht das Dry Lemon aufs Haus.«
    »Schießen Sie los.«
    »Wie ist Ihr Sternzeichen?«
    »Widder.«
    »Mmm … Drehen Sie die Hände um.«
    Ich nahm einen Schluck Limonade, stellte das Glas hin und zeigte ihr meine Handflächen.
    Sie beugte sich vorwärts mit den Ellenbogen auf dem Tresen, damit sie besser sehen und zugleich, damit ich besser in ihr T-Shirt
     schauen konnte.
    Sie zog an der Zigarette. Die Spitze glühte. »Okay. Nicht verheiratet. Sie arbeiten nicht mit den Händen. Drehen Sie sie wieder
     um.« Tertia begann meine Knöchel zu untersuchen und trat einen Schritt zurück. »Sie haben sich geschlagen, Lemmer. Böser Junge.«
    |264| Ich sagte nichts.
    »Die Schultern, der Hals … Sie sind fit, aber Sie arbeiten nicht in der Sonne. Zweiundvierzig, dreiundvierzig Jahre alt. Vielleicht
     Polizist. Die Haare, die … Nein, definitiv kein Polizist. Falsches Getränk … Mal sehen. Vor zehn Jahren hätte ich gesagt:
     Armee – Officer im Innendienst. Das waren Sie vielleicht mal, sind es aber nicht mehr. Irgendwas in der Art … Sicherheit,
     Security, Militär – Sie sind selbständig. Vielleicht Luftwaffe? Pilot. Nein. Dann hätten sie eine Rayban auf den Tresen gelegt.
     Was führt Sie her? Ins Lowveld. Mosambik. Zimbabwe. Kein Urlaub. Sie arbeiten und sind aus einem bestimmten Grund hergekommen.
     Warten Sie auf jemanden? Könnte sein. So wie Sie sich umgeschaut haben.«
    Dann sah sie mir in die Augen. »Söldner.«
    Ich wusste, was sie tat. Sie wartete darauf, dass ich zwinkerte, die kleine Verengung meiner Augen, der Blick nach unten.
     Ich ließ mir nichts anmerken. »Berater. Militärberater.« Nichts. »Schmuggler.«
    Da wusste sie, dass sie es nicht hinbekäme, und paffte an ihrer Zigarette. »Okay«, sagte sie zögerlich, »die Limo geht aufs
     Haus.«
    »Nicht schlecht«, sagte ich und trank mein Glas leer.
    »Wie dicht war ich?«
    »Lauwarm.«
    »Sie glauben, Sie können das besser, oder?«
    »Darf ich noch einen?« Ich schob ihr das Glas hin.
    »Kommen Sie, zeigen Sie mir, was Sie können.« Tertia drückte die Zigarette in einem Aschenbecher aus, löste sich von dem Regal
     und holte noch zwei Dosen.
    »Haben Sie Biltong? Oder Nüsse?«
    »Vielleicht.« Sie stellte die kühlen Drinks vor mir hin. »Wenn Sie es besser können als ich.«
    »Tersh«, rief jemand von einem Tisch. »Mehr Wein.« Ein Chor ähnlicher Bestellungen hallte durch den Raum.
    »Ich komme«, sagte sie zu ihnen und leise zu mir: »Das wird ein langer Abend.«
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