Weisser Schrecken
persönlich.«
»Möchtest du eines?«
»Klar, der ist absolut cool.« Über Elkes Lippen huschte ein Lächeln. »Frank steht auf mich. Ich weiß das.«
»Stehst du denn auf ihn?«
»Auf den Zabel? Nee. Aber das Autogramm kann er uns ja trotzdem mitbringen.«
»Wer ist denn uns?«
Elkes Augenlider zuckten. »Gretl und ich.«
»Wo ist Gretl jetzt?«, fragte Miriam aufgewühlt. Sie wusste nur zu gut, dass sie selbst einst diese Gretl gewesen sein musste. Der Gedanke ließ sie frösteln.
»Na, die sitzt doch neben mir. Ich … muss mir echt ein Lachen verkneifen.« Elke kicherte zu Miriams Enttäuschung und ging nicht weiter auf Gretl ein. »Und warum musst du lachen?«
»Weil Michi Frank gerade heimlich ’ne Prilblume hinten auf die Jacke klebt. Während er mit mir spricht.«
»Meinst du Michael Meyenberg mit diesem Michi?«
»Wen denn sonst?«
Miriam schluckte. »Ist Michi dein Freund?«
Elke kicherte. »Nee. Doch. Wir haben schon mal … Nee, das ist mir peinlich. Aber am Wochenende, da macht er selbst Disse. Oben bei seinen Eltern in der Wohnung. Im Sägewerk. Michi hat ’ne astreine Hifi-Anlage. Da können wir ordentlich abhotten.«
Miriam brauchte eine Weile, bis sie die Antwort verdaut hatte. Inzwischen war ihr der Mund vor Aufregung ganz trocken. »Hast du noch andere Freunde?«
»Klar.« Elke alias Anna antwortete, als wäre es das Selbstverständlichste von der Welt. »Stefan. Und Jonas auch. Der macht immer unsere Hausaufgaben, wenn ich ihn frage. Aber Gretl findet das irgendwie nicht gut.« Miriam sah ihre Schwester fassungslos an. Damals schienen die Beziehungen in ihrer Clique ganz ähnlich gewesen zu sein wie heute. Das alles war so unheimlich, dass sie die Sache am liebsten abgebrochen hätte, aber sie durfte die Gelegenheit nicht verstreichen lassen, mehr über das Todesjahr ihrer Alter Egos zu erfahren. Sie zitterte.
»Elke, welchen Monat haben wir?«
»Weiß nicht. Draußen … scheint die Sonne. Es ist Sommer.«
»Wir werden etwas in der Zeit voranschreiten, ja? Ein paar Monate.« Miriam räusperte sich. »Es ist jetzt Winter. Wir haben Anfang Dezember.« Elke ächzte, und ihr Körper schwankte wieder leicht hin und her.
»Kennst du Pfarrer Strobel?«
»Ja.« Elkes Stimme klang gequält. »Der ist hier in Perchtal … unser Pfarrer.«
»Bitte sag mir, wie Herr Strobel so ist.«
»Schon ziemlich alt. Und ganz schön seltsam.«
»Warum ist der seltsam?«
»Weiß nicht … Im Reliunterricht nehmen wir so komische Sachen durch. Über den Weihnachtsmann.«
»Strobel unterrichtet bei euch an der Schule?« Miriam runzelte die Stirn.
»Sag ich doch. Aber der hat voll den Kopfschuss. Da geht es nur um den Buttnmandllauf, um Perchten und den Krampus. Und hier in Perchtal … Immer nach den Proben für den Weihnachtschor quatscht der mich schräg an. Weil ich angeblich so gut singen kann.«
»Kannst du denn gut singen?«, fragte Miriam argwöhnisch.
»Ist doch kikileicht. Aber … der holt immer nur mich zu sich. Und das, obwohl Gretl genau so gut singt wie ich.«
»Immer nur dich?« Miriam beschlich plötzlich ein ganz mieses Gefühl. »Wo geht er mit dir hin?«
»Nach hinten. In die … Sakristei. Nein, in … seine Wohnung.«
»Macht der irgendwas mit dir?«, fragte Miriam leicht angewidert.
»Der … zeigt mir so komische Sachen. Bücher und … Bilder … auf Stein. Und so einen alten Stab aus … Holunderholz. Der … gleiche Stab ist auch auf diesen Steinbildern … Priester halten ihn in den Händen. Sie sind … zusammen … mit Kindern.«
»Elke, du musst dich genau erinnern. Was sind das für Priester? Mönche?« Elke brummte etwas Unverständliches, bevor ihre Stimme wieder verständlich wurde. »Nein, von ganz früher. Andere Priester. Die haben so einen komischen Namen. Kann ihn mir nicht merken. Strobel sagt, es gibt die noch heute. Und … er sagt, dass ich auserwählt sei … Die Gottesmutter hat mich auserwählt.«
»Was machst du jetzt?«
»Ich will nicht.« Elke verzog bei der Erinnerung unmerklich ihr Gesicht. »Ich sag Vater Bescheid. Obwohl Pfarrer Strobel meint, dass das unser Geheimnis ist. Aber …« Elke wurde aufgeregter. »Aber Vater sagt, ich soll Pfarrer Strobel vertrauen. Er schärft mir ein, niemandem etwas zu sagen. Das kapiere ich nicht … Ich will nachts nicht allein mit dem in den Wald. Ich will das nicht.«
»Und was machst du dann?«, fragte Miriam bestürzt. Elkes Lippen zitterten. »Bitte, sag mir, was als Nächstes
Weitere Kostenlose Bücher