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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Elke fest in den Arm. »Du warst Anna. Verstehst du? Du wirst mir kaum glauben, wenn ich dir erzähle, was ich von dir erfahren habe.«
    »Ach, ist dem so?«, ertönte im Zimmer eine dunkle Stimme. Miriam fuhr erschrocken zur Tür herum, in der sich die drohende Silhouette ihres Vaters abzeichnete. Sein Bart zitterte, und seine Augen blitzten in kalter Entschlossenheit. Im Hintergrund war ihre Mutter zu hören. Sie schluchzte. Vater ließ seinen Blick andächtig über die alte Jugendzimmereinrichtung schweifen, dann fixierte er wieder sie und Elke. »In diesem Fall muss ich euch wohl nicht mehr erklären, was der Herr euch heute bestimmt hat …«

Staubige Zeugen
    Andreas kämpfte sich gemeinsam mit Niklas durch das heftige Schneetreiben. Die Flocken wirbelten ähnlich wütend vom Himmel wie gestern Nachmittag, und die Ortschaft versank unter einem grauen Schleier. Nur wenige Perchtaler versuchten der frostigen Massen noch mit Schneeschippen und Streusalz zu Leibe rückten. Die meisten von ihnen hatten es längst aufgegeben. Sie hockten in ihren Häusern und heizten dort die Kamine an, wie man an den vielen Rauchfahnen sehen konnte, die über den Dächern zum Winterhimmel aufstiegen. Andreas konnte sich nicht daran erinnern, dass der Ort je zuvor derart eingeschneit gewesen war. Dass der Straßenräumdienst aus Berchtesgaden es bis heute nicht geschafft hatte, sich zu ihnen durchzukämpfen, sprach Bände. Fast wirkte es so, als wolle die unheimliche Macht, mit der sie es zu tun hatten, ganz bewusst verhindern, dass sie entwischten. Dabei hatten sie das nicht einmal vor.
    Da Niklas relativ wortkarg war, verlief der anstrengende Marsch durch den Ort schweigend. Vor allem achteten sie darauf, die Gasse mit Niklas’ Wohnhaus und der Bäckerei weiträumig zu umgehen. Bloß nicht auffallen … Sie hatten gerade Miederwaren Raab passiert, als Andreas das Schweigen brach.
    »Ehrlich, Niklas. Du kannst jederzeit bei mir abtauchen, wenn du dich nicht mehr nach Hause traust.«
    »Lass mich«, schnaufte Niklas. »Ich sag schon, wenn ich Hilfe brauche.«
    »Hey, kein Grund, mich blöde anzumachen. Ich will nur, dass du weißt, du kannst dich auf mich verlassen.«
    »Ja, klar.« In Niklas’ Stimme lag ein seltsamer Unterton, so als glaube er ihm nicht. Andreas beschloss vorsichtshalber, seinen dicken Freund in Ruhe zu lassen. Schließlich konnte er nur vermuten, was gerade in ihm vor sich ging. Er selbst war zum ersten Mal in seinem Leben dankbar dafür, dass zu Hause keine Eltern auf ihn warteten, die nur darauflauerten, weiß Gott was mit ihm anzustellen. Dabei hatte er keineswegs vergessen, dass da auch noch dieser Unbekannte von letzter Nacht war, der vermutlich immer noch nach ihnen suchte. Mann, hoffentlich hatte ihn heute Morgen keiner erkannt. Inzwischen bereute er es, dass er dem Leiter der freiwilligen Feierwehr den Hinweis zu Strobels Fundort gesteckt hatte. Und hoffentlich ging es Elke und Miriam gut.
    In diesem Moment kam der Marktplatz mit dem denkmalgeschützten Amtshaus in Sicht. Auf den Treppen vor dem Eingang mit dem alten, von Berlaff und Pfannhaken überkreuzten Wappen Perchtals schippte ein Angestellter Schnee. Man konnte das Kratzen der Schippe bis zu ihnen hören. Der Marktplatz selbst war relativ leer. Nur vereinzelt stapften Leute mit Einkaufstüten über die weiße Fläche, die aber schnell in den geheizten Ladengeschäften am Rand des Platzes verschwanden. Das schlechte Wetter hatte selbst den Menschenauflauf bei der Kirche vertrieben, von dem Niklas berichtet hätte. Der Vorplatz war wieder verwaist. Ob sie Strobel ebenfalls in der kleinen Leichenhalle aufgebahrt hatten? Andreas fragte sich unwillkürlich, wie Krapf und seine Leute den aufgespießten Leichnam überhaupt vom Baum runtergeholt hatten. Ihn schauderte bei den Bildern, die ihm dabei in den Sinn kamen.
    »Da hinten ist es.« Niklas deutete voraus. Seine fleischigen Wangen leuchteten fast so rot wie Tomaten, und er senkte den Blick, sodass er über den Brillenrand hinweg sehen konnte. »Das Heimatkundemuseum ist im Erdgeschoss untergebracht. Soweit ich mich erinnere, sind das eh nur zwei Räume.«
    »Und was stellen sie dort aus?«
    »Ach, Kram halt. Bergbauzeugs und so.« Niklas verengte die Augen. »Aber ich erinnere mich, dass die da einen alten Stich hängen haben, auf dem eine Hexenverbrennung dargestellt ist.«
    »Hier in Perchtal wurden Hexen verbrannt?«, fragte Andreas ungläubig.
    »Ja, irgendwann im Mittelalter. War aber auch

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