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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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aber war so schön, dass sie noch auf dem Scheiterhaufen einen jungen Mönch hat becircen tun und mit seiner Hilfe über die Berg hat flüchten können. Und dort, so heißt es, setzt sie des Teufels Werk bis heute fort.«
    Andreas und Niklas sahen sich an. Klar, das war nur eine Sage, aber darin tauchten einfach zu viele beunruhigende Elemente auf, die sie bereits kannten.
    »Ja, da schaut’s her, Buben, die G’schicht hat euch ja richtig verschreckt.« Frau Neuleitner grinste zufrieden.
    Andreas beschloss den Spott zu überhören. »Sagen Sie mal, diese Klosterruine oben im Wald, spielt die in der Sage vielleicht auch eine Rolle?«
    »Ja, meiner Seel’«, Frau Neuleitner kratzte sich am Kinn. »Wer weiß? Da haben wir früher allerweil Ausflüge hin unternommen. Das war aber, soweit ich weiß, kein einfaches Kloster nicht, sondern eine mittelalterliche Schule. Das Sankt-Nikolaus-Stift-so hat es geheißen. Und ich glaub, die Lehrer waren Franziskaner.«
    Andreas spürte, wie ihn Niklas heimlich von der Seite anstupste. Auch er musste wieder an die Sache mit den Kinderbischöfen zurückdenken. Ganz langsam setzten sich all die gespenstischen Puzzleteile zu einem großen Ganzen zusammen. »Und warum steht da oben nur noch eine Ruine?«
    »Was weiß denn ich, Buben. Wahrscheinlich ist sie irgendwann in einem der Kriege hier in der Region abgebrannt. Die Geistlichen haben damals ja die Hand auf den begehrten Salzvorkommen in der Region liegen gehabt. Das hat schon immer für Streit und Missgunst gesorgt.« Sie winkte ihnen zu und führte sie zurück zu einem der Schaukästen im Nachbarraum. Dort lag, geschützt unter Glas, ein schwerer Foliant mit der farbenprächtigen Abbildung der Perchtaler Sankt-Nikolaus-Kirche. »Das hier ist die alte Ortschronik Perchtals. Da drin steht sicher mehr über das Kloster. Nur ist die Vitrine leider abgeschlossen. Der letzte Eintrag stammt übrigens aus dem Jahr 1809.«
    »Damals hat doch Napoleon über das Berchtesgadener Land geherrscht, oder?«, merkte Niklas an.
    »Ach Burschen«, seufzte die Frau. »Die Kirche, die Österreicher, die Franzosen … Hier gab es viele Herren. Hauptsache ist doch, dass wir jetzt zu Bayern gehören, hab ich recht?«
    Andreas achtete nicht auf sie. Er beäugte vielmehr die prachtvolle Kirchenabbildung auf den Seiten.
    »Ein schönes Bild, nicht wahr?« Frau Neuleitner beugte sich ebenfalls über das Glas. »In unserer schönen Sankt-Nikolaus-Kirche drüben lebt das Erbe der klösterlichen Stiftsschule übrigens weiter. Der heilige Nikolaus war ja auch der Schutzpatron des Klosters.«
    »Der Kinder wegen?«, bohrte Andreas nach.
    »Nein, weil sie in dem Kloster angeblich eine Reliquie des heiligen Nikolaus von Myra aufbewahrt haben. Aber nicht irgendeine, sondern seinen Bischofsstab!« Frau Neuleitner zwinkerte ihnen zu. »Wurde aber wohl nie richtig anerkannt. Denn die Freiburger, also jetzt nicht Freiburg im Breisgau, sondern das Freiburg in der Schweiz, haben ebenfalls von sich behauptet, den Stab zu besitzen.«
    »Hat dieser Stab die Wirren überdauert?«, fragte Andreas.
    »Mich darfst nicht fragen«, seufzte die mollige Frau. »Gestern hättest du den Pfarrer Strobel noch fragen können. Ja mei … Einige erzählen aber, dass die Steine oben aus der Ruine in unserer Kirche verbaut worden sind. Aber die ist selbst schon recht alt, weshalb ich das nicht so recht glauben mag. Das Einzige, was zweifelsfrei noch aus dem alten Kloster stammen tut, ist unser Kirchenglockerl. Angeblich haben sie’s damals gerettet, und seitdem schlägt es uns jeden Tag oben im Kirchturm die heilige Stund’.«
    »Wie bitte!?« Andreas riss die Augen auf, und die Gedanken rotierten hinter seiner Stirn. In einem spontanen Gefühlsausbruch nahm er Frau Neuleitners Hand und schüttelte sie. »Danke. Vielen, herzlichen Dank. Sie glauben nicht, wie sehr uns Ihre Ausführungen geholfen haben.«
    »Ja mei, ist schon recht …«
    Andreas packte Niklas an der Jacke und zerrte ihn mit sich, raus aus dem Museum, während ihnen Frau Neuleitner konsterniert nachsah. Erst als sie draußen vor dem Gebäude im Schnee standen, ließ er Niklas los.
    »Mann, was soll das?«, blaffte der ihn an. Wütend rückte er sich die Brille zurecht. »Schon mal dran gedacht, dass ich vielleicht noch Fragen habe?«
    »Wir wissen alles, was wir wissen müssen«, sagte Andreas aufgeregt. Obwohl es draußen bereits dämmerte, bedeutete er Niklas, ihm in den Schatten des Gebäudes zu folgen. »Wir haben dir

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