Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
Vom Netzwerk:
Bürgermeister möchte nicht, dass ich einen Namen nenne, solange sich die Polizei des Falls noch nicht angenommen hat. Ich will nur nicht hoffen, dass die Angelegenheit irgendwie mit Pfarrer Strobel zusammenhängt. Du hast sicher schon gehört, dass er sich heute Nacht im Wald aufgehängt hat?« Robert nickte. Irgendjemand schien ein großes Interesse daran zu haben, dass Strobels wahre Todesumstände nicht ans Licht kamen. »Diesmal hat man Sie also nicht gebeten, sich den Leichnam anzusehen? Also so wie bei der Toten aus dem See?«
    »Nein, hat man nicht.« Doktor Bayer runzelte die Stirn. »Aber wieso weißt du überhaupt davon?«
    Robert wurde rot. »Na, wir standen doch am Seeufer, als Sie und die anderen die Tote weggetragen haben.«
    »Stimmt, ich erinnere mich.« Doktor Bayer räusperte sich. »Wie dem auch sei, sehr unschön, die ganze Angelegenheit. Und jetzt auch noch Pfarrer Strobel. Ein paar Tote zu viel, wenn du mich fragst. Die Behandlung eben war übrigens umsonst. Ist mein Nikolausgeschenk an dich.« Er zwinkerte ihm zu.
    »Danke.« Ob er Doktor Bayer doch in die seltsamen Geschehnisse einweihen sollte? Er schien vertrauenswürdig zu sein. Andererseits, hätte er ihm an dessen Stelle geglaubt? Nein, ganz sicher nicht. Es war zum Verzweifeln.
    Robert wollte sich schon dem Ausgang zuwenden, als sich Doktor Bayer noch einmal umwandte. »Und grüße mir die Frau Hoeflinger, falls sie noch bei euch ist. Sag ihr, dass sie morgen noch einmal in der Praxis vorbeikommen soll. Ich habe doch noch eine Schachtel mit Epsiprantel vorrätig.«
    »Was?« Robert sah den Arzt fragend an.
    »Das ist ein Mittel gegen Bandwurmerkrankungen. Ihr Hund leidet darunter.«
    »Nein, das meine ich nicht«, sagte Robert zögernd. »Wieso glauben Sie, dass ich Frau Hoeflinger heute noch sehe? Sie meinen doch die Frau Hoeflinger, die im Geschäft der Kahlingers als Kassiererin arbeitet? Die Tochter des Verrückten, der in den Straßen immer den Müll durchsucht?«
    »Ja, genau die«, antwortete Doktor Bayer. »Sie hat deine Mutter heute Vormittag abgeholt. Das war doch sehr nett von ihr.«
    Robert hatte noch nicht vergessen, was Andy und Elke von dem alten Hoeflinger erfahren hatten. Warum kam dessen Tochter plötzlich auf die Idee, seine Mutter abzuholen? Die beiden hatten doch sonst nichts miteinander zu tun. Eigenartig. Er verabschiedete sich nun endgültig und verließ die Tierarztpraxis. Draußen schneite es, und Robert zündete sich erst einmal eine Selbstgedrehte an. Wieso hatte die Hoeflinger seine Mutter abgeholt? Irgendetwas stimmte da nicht. Auch auf die Gefahr hin, langsam paranoid zu werden, es war besser, niemandem mehr zu vertrauen.
    Robert fiel wieder ein, dass er Andy versprochen hatte, bei Elke und Miriam vorbeizusehen. Doch die Sorge um seine Mutter drängte ihn, zunächst einmal nach Hause zu eilen. Er schnippte die Kippe weg, stellte den Kragen seiner Jacke auf und lief grußlos an den wenigen Passanten vorbei in Richtung Ortsmitte. Endlich kam im Schneegestöber der Straßenzug mit seinem Wohnhaus in Sicht. Robert wurde langsamer und blieb schließlich ganz stehen. Was, wenn die Hoeflinger noch da war?
    Robert marschierte zur Hofeinfahrt neben dem elterlichen Haus. Ein hoher Bretterzaun schirmte den Innenhof von der Straße ab, und die große Hoftür war wie immer geschlossen. Sein Vater hatte die Fläche angeblich einst als Abstellplatz für sein Auto genutzt. Doch er und seine Mutter besaßen keinen fahrbaren Untersatz, sie lagerten dort vornehmlich den Müll. Robert zog an der Hoftür, die sich mit einem kratzenden Geräusch öffnete. Vorsichtig schlüpfte er durch den Spalt, sah sich um und hastete über die verschneite Fläche weiter zu dem Mülleimer neben der Küchentür. Da die Hintertür auf Kopfhöhe über einen Glaseinsatz verfügte, konnte er durch sie hindurch in die Küche, den dahinterliegenden Gang und Teile des Wohnzimmers spähen. Von dort tönten die Geräusche des Fernsehers. Eine Talkshow, Robert streckte sich und sah, dass seine Mutter im Sessel saß und das laufende Programm verfolgte. Sie trug wie so oft den blauen Arbeitskittel, den er so hasste.
    Robert zückte erleichtert den Hausschlüssel und lief zurück zur Gasse, wo er sich noch einmal nach möglichen Zeugen umsah. Doch der Straßenzug lag menschenleer vor ihm. Schon hatte er die Haustür geöffnet. Der Zeitpunkt war gekommen, da ihm seine Mutter einige Fragen beantworten würde. Ohne sich an der Garderobe aufzuhalten,

Weitere Kostenlose Bücher