Weisser Schrecken
Krapf ’n Joachim seiner Feuerwehr in die kleine Leichenhalle haben legen tun. Zu dem toten Dirndl aus dem See. Soll sich oben an einem Baum aufgehängt haben. Was für eine grauslige Geschieht’!«
»Ja«, brummte Andreas, der dem Geschwätz der Frau nur noch mit halbem Ohr folgte. Die Ausstellungsstücke schienen ihm interessanter. Wo war nur dieser Stich mit der Hexenverbrennung, von dem Niklas erzählt hatte?
»Eins sage ich euch«, schwatzte die Neuleitner weiter. »Wenn jetzt noch die alte Frau Berghammer stirbt, ich meine mit ihren drei Infarkten ist die ja längst überfällig, dann wird es da drinnen langsam eng.« Sie seufzte. »Warum es nur immer die Guten zuerst erwischen tun muss? Aber reden wir nicht darüber – der Herr wird’s schon richten. Ihr solltet eure zarten Seelen nicht mit so etwas belasten.« Sie hob die Kaffeetasse erschrocken von der Vitrine und polierte die Stellfläche hastig mit dem Saum ihres Pulloverärmels sauber. »Deswegen seid ihr sicher nicht hier, stimmt’s? Bestimmt wollt ihr mehr über die glorreiche Vergangenheit unseres Ortes erfahren? Vieles hier stammt übrigens aus alten Keltengräbern. Ihr wisst doch, was Kelten sind, oder? Die waren so was wie Germanen und Gallier. Nur eben halt … Kelten. Die haben zur Zeit der alten Römer gelebt.« Sie folgte ihnen neugierig.
»Na ja, vielleicht könnten Sie uns tatsächlich helfen?«, meinte Andreas diplomatisch.
Frau Neuleitner strahlte. »Gern. Da seid ihr bei mir genau richtig. Ich kenne das Museum inzwischen in- und auswendig.« Bevor Andreas es verhindern konnte, schob die Neuleitner ihn auf einen Schaukasten zu, in dem die Überreste alter Holzröhren gleich neben den Scherben großer Tongefäße lagen. »Das hier sind die Überbleibsel alter Salzsiedegeräte aus der Bronzezeit. Nur dass wir hier kaum etwas aus Bronze aufbewahren tun.« Sie hob ihren Zeigerinder. »Wisst ihr auch, warum?«
»Ja, weil das Metall durch den Salzgehalt hier bei uns im Boden relativ schnell zersetzt wurde«, antwortete Niklas genervt.
»Ja, Sakrament, das gibt es ja nicht.« Der Neuleitner war anzumerken, dass Niklas sie um ihre Pointe gebracht hatte. »Du bist wirklich ein ganz ein Schlauer. Das hab ich wohl gestern schon merken müssen.«
»Wir waren schon vor einiger Zeit hier«, klärte sie Niklas gönnerhaft auf. »Mit der Klasse. Das Berchtesgadener Land ist ja bekannt für seine Salzgewinnung. Sogar Kriege wurden um das Weiße Gold geführt.« Er deutete beiläufig hinüber zu den Soldatenuniformen. »Das sind doch Uniformen von Salzburger Soldaten, richtig?«
»Ja, freilich«, entfuhr es Frau Neuleitner.
»Hier bei uns haben sie früher ebenso danach gebuddelt wie unten in Berchtesgaden«, dozierte Niklas. »Ist doch jedem bekannt. Damals unterstand Perchtal noch der Fürstpropstei Berchtesgaden. Nur wurde der Betrieb der Salinen hier schon im Mittelalter eingestellt.«
»Freilich, da habt ihr schon recht«, meinte die Neuleitner enttäuscht. Andreas hatte langsam genug von der Geschichtsstunde. Ihnen brannte die Zeit unter den Nägeln. »Sagen Sie mal, Niklas erzählte mir, dass es bei uns Hexenverbrennungen gab?«
»Bei meiner Seel’, war ja klar, dass euch solch grauslige Geschichten am meisten interessieren tun.« Die Dicke lächelte verschwörerisch. »Aber der Herr Bürgermeister tat es ja gar nicht gern sehen, wenn wir auf einen solchen Schandfleck in unserer Heimat-Historie aufmerksam machen würden. Wir haben die Sachen auf sein Geheiß wieder fortgeräumt. Liegen jetzt oben auf dem Dachboden des Amtshauses. Und da können sie gern bleiben. Immerhin kommen manchmal auch Touristen zu uns hoch ins Perchtal.«
Andreas stutzte. Der Bürgermeister? »Schade«, hub er an. »Gerade mit so was könnten wir im Unterricht garantiert punkten. Die anderen in unserer Klasse können von so etwas Spannendem nämlich bestimmt nicht berichten.«
»Na, da sei dir mal nicht so sicher. Erst vor zwei Wochen waren einige von euren Klassenkameraden hier und wollten auch mehr über die Sache wissen. Als ob es das Einzige wäre, was am schönen Perchtal interessant ist.«
»Wer denn?«, schreckten Andreas und Niklas zugleich hoch.
»Na, dieser Toschlager Konrad, ihr wisst schon, der Sohn vom Viehschlachter, und seine Freunderl. Der Toschlager, der Haderlump, hat fast das Bücherl aus dem Vereinsheim stibitzt.« Andreas und Niklas warfen sich alarmierte Blicke zu. »Und, haben Sie denen was erzählt?«
»Na ja«, Frau Neubauer wurde
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