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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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bleibt.« Er zog nun auch Miriam vom Stuhl und stieß beide Mädchen auf den Parkettboden. »Hinknien!«
    »Papa, was soll das?«, stöhnte Elke auf. »Miriam hat doch nichts …«
    »Hinknien, sagte ich!«, herrschte er sie nochmals an. Ängstlich kamen die beiden Mädchen der Anweisung nach und knieten in bußfertiger Pose auf dem harten Boden nieder, während ihr Vater zwei Perlschnüre mit Kreuzen aus der Kommode hervorkramte. Anschließend schickte er seine Frau nach drüben in die Küche. »Hol die Erbsen!« Mutter weinte still. Doch sie nickte nur und eilte nach draußen, während er selbst seinen Töchtern die Rosenkränze in die Hände drückte. »Einhundertfünfzig Ave Maria! Für jeden Psalm eins!«
    Elke stöhnte und nahm das kleine Kreuz an der Kette widerwillig in die Hand. Aus den Augenwinkeln heraus sah sie, dass ihre Schwester es ihr gleichtat. Miriam war zwar die Schwächere von ihnen beiden, aber so schnell würde auch sie sich nicht kleinkriegen lassen. »Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen …«, legte sie trotzig mit dem Glaubensbekenntnis los, doch ihr Vater hielt sie auf.
    »Nein, nicht so.« Er wartete, bis seine Frau mit den Erbsen zurückgekehrt war, fischte vier der harten Hülsenfrüchte aus dem Glas und drückte seinen Töchtern jeweils zwei davon in die Hand. »Legt sie euch unter die Knie, während ihr Abbitte leistet.« Entgeistert starrte Elke ihren Vater an. War er verrückt geworden? »Das ist nicht dein Ernst?«
    »Sehe ich aus, als würde ich scherzen!?«, brüllte ihr Vater und beugte sich nun so dicht zu ihr herab, dass sein Bart ihr Gesicht berührte. »Dabei solltest du wissen, dass mir das mehr wehtut als euch.« In seinen Augen brannte ein Feuer, wie sie es noch nie zuvor gesehen hatte. »Aber du zwingst mich ja dazu. Wie schrieb Paulus an die Korinther? ›Ein gottgewollter Schmerz führt zu einer veränderten Einstellung, die man nie bereuen muss, und so zur ewigen Rettung.‹ Gib den Namen des Jungen preis, und ihr dürft auf die Erbsen verzichten. Andernfalls werdet ihr beide erfahren, welche Bedeutung die Worte des Apostels wirklich haben!«
    Miriam neben ihr begann zu weinen. Auch ihre Mutter in der Zimmertür schlug die Hände vor den Mund und schluchzte. Doch Elke schluckte ihre eigenen Tränen tapfer herunter, schob sich die Erbsen unter die Knie und starrte ihren Vater kämpferisch an. Dann begann sie von vorn damit, das Glaubensbekenntnis aufzusagen. Die kleinen, harrten Kugeln unter den Knien drückten erbarmungslos gegen Knochen und Gelenk. Elke ächzte, und obwohl sie sich standhaft um Fassung bemühte, verzog sie vor Schmerzen das Gesicht. »Gegrüßet seist du, Maria … voll der Gnade, der Herr ist mit dir …« Sie kam ins Stocken und ahnte, während sie die Perlen zwischen ihren Fingern dahingleiten ließ, dass sie drei Tage lang nicht mehr würde laufen können, wenn sie das hier überstand. »Du bist gebenedeit unter den Frauen, und gebenedeit ist die Frucht deines Leibes …« Elke schickte sich soeben an, das erste Gesätz zu Ende zu bringen, als es an der Haustür klingelte. Ihre Eltern schreckten hoch und sahen sich überrascht an.
    »Wer ist das?«, bellte ihr Vater, doch ihre Mutter zuckte mit den Schultern. »Dann sieh nach! Und ihr beide«, er wandte sich wieder seinen Töchtern zu, die qualerfüllt zu ihm aufblickten, »macht hübsch weiter!«
    Elke versuchte den Schmerz in einen stillen Winkel ihres Bewusstseins zu verdrängen, als drüben an der Haustür der erstaunte Ruf ihrer Mutter laut wurde. »Sie, Herr Pfarrer? Grüß Gott! … . Aber natürlich. Kommen Sie herein.« Hoffnung keimte in Elkes Herzen auf, auch wenn sie Pfarrer Strobel nicht sonderlich mochte. Doch in diesem Augenblick hätte sie wie eine Ertrinkende nach dem berüchtigten rettenden Strohhalm gegriffen. Auch ihr Vater spähte überrumpelt zur Zimmertür. Dann stürmte er los und lief dem Gottesmann fast in die Arme. Ihre Mutter hatte den Seelsorger direkt ins Esszimmer geführt.
    Hatte sie das absichtlich getan?
    Pfarrer Strobel war ein hochgewachsener Mann mit stechendem Blick und krummer Habichtsnase, der sogar einen Kopf größer als Andy war. Sein schütteres Haar war unter einer schwarzen Wollmütze verborgen, und unter dem halboffenen, mit Schnee bestäubten Cordmantel lugte der weiße gespaltene Hemdkragen über einer knopflosen schwarzen Weste hervor. »Herr Bierbichler!«, begrüßte ihn Strobel mit maliziösem Lächeln.
    »Hochwürden!?«, schnaufte

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