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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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ich das. Ihr könnt euch auf mich verlassen.«
    Andreas fiel zum ersten Mal auf, dass Niklas in Elkes Anwesenheit wie Wachs in der Sonne schmolz. Der Gute war doch nicht etwa insgeheim in Elke verknallt?
    »Und die zweite Spur?«, wollte Miriam wissen, bevor er weiter darüber nachdenken konnte. Andreas räusperte sich. »Damit komme ich zu einer Idee, von der ich selbst noch nicht weiß, ob sie Erfolg haben wird. Ich dachte mir, dass das Verschwinden unserer Geschwister nicht völlig unbemerkt geblieben sein kann. Irgendetwas muss darüber doch in den Zeitungen gestanden haben.«
    »Es gibt hier in Perchtal kein Zeitungsarchiv«, meinte Elke. »Vielleicht unten in Berchtesgaden? Aber da kommen wir im Moment nicht hin.«
    »Weiß ich.« Andreas klemmte den Daumen in den Gürtel. »Ich dachte auch eher an jemanden hier aus dem Ort, nämlich den alten Hoeflinger. Der ist bekannt dafür, dass der alles Mögliche sammelt. Vielleicht hat der noch einige Zeitungen aus der damaligen Zeit?«
    »Du meinst den Verrückten?« Niklas sah ihn an, als zweifle er nun auch an seinem Verstand.
    »Genau den.«

Ludus episcopi puerorum
    Obwohl die vielen Schneeflocken die Sicht behinderten, konnte Niklas bereits aus der Ferne Licht hinter den Fenstern des Vereinsheims erkennen. Er schulterte aufgebracht seinen Ranzen und nahm keuchend den Rest der rutschigen Straße in Angriff, an deren Ende der Hang mit dem schwarzweißen Gebäude aufragte. Wenn dieses Buch, von dem Andy gesprochen hatte, noch existierte, dann würde er es finden. Zumindest Elke zuliebe. Schade, dass sie ihn nicht begleitete. Aber Andy musste ja unbedingt mit dem blöden Vorschlag kommen, dass der alte Hoeflinger Mädchen gegenüber eventuell zugänglicher sei. Als ob der Alte überhaupt noch etwas mitbekam! Niklas hielt es insgeheim für ausgemachten Schwachsinn, dem Verrückten etwas Sinnvolles entlocken zu wollen. Aber Andy hatte sich wie immer durchgesetzt.
    Andy. Warum mussten eigentlich immer alle auf Andy hören? Und warum schusterten die anderen dauernd ihm, Niklas, die langweiligen Aufgaben zu? Vielleicht hätte er ja auch lieber dieses blöde Hexenbrett mit vorbereitet? Selbst die Aussicht auf den verrückten Hoeflinger war spannender als die Suche nach einem Buch, das vermutlich gar nicht mehr existierte. Wenigstens fragen hätten sie ihn können.
    Niklas fand das alles unfair. Immer behandelten sie ihn wie das fünfte Rad am Wagen. Letzte Woche hatten Andy und Robert sich auch allein zum Zocken verabredet. Und das, obwohl er zwei geschlagene Nachmittage damit verbracht hatte, ihnen Integralrechnung beizubringen. Zu Niklas’ eigenem Befremden überkam ihn nicht einmal der Wunsch nach etwas Süßem, er war einfach nur … zornig.
    Atemlos blieb er stehen, so sehr überraschte ihn diese Erkenntnis. Ja, er war tatsächlich zornig. Und das war ein Gefühl, das er eigentlich nicht kannte. Sonst war er immer nur mutlos. Oder unsicher. Doch jetzt, in diesem Moment, hätte er sogar Konrad angeschrieen. Oder seine Mutter. Oder … Elke.
    Elke? Niklas blinzelte und ignorierte sogar die Schneeflocken, die sich auf seine Brillengläser legten. Ja, sogar sie. Denn am meisten wurmte ihn, dass Elke sich Andy auch noch so bereitwillig angeschlossen hatte. Bei dem Gedanken an die beiden stieg ein ungutes Gefühl in ihm auf. Nein, das konnte nicht sein. Das hätte er doch mitbekommen. Oder etwa nicht?
    Niklas stieß unvermittelt gegen die Karosserie eines Geländewagens am Straßenrand und bemerkte viel zu spät, dass er völlig in Gedanken versunken weitergegangen war. Der Wagen war ein silberbrauner Mitsubishi Pajero, dessen Reifen mit Schneeketten ummantelt waren. Die Heckklappe des Autos schloss sich laut, und hinter dem Fahrzeug tauchte zu Niklas’ Überraschung ihr Vertrauenslehrer Roman Köhler auf. Richtig, der wohnte ja hier. Der Leiter der Pass sah ihn überrascht an und rückte seine Schiebermütze zurecht. »Niklas, wenn du auch in Berchtesgaden so gedankenverloren durch die Straßen läufst, dann darfst du dich nicht wundern, wenn du eines Tages unter die Räder kommst.« Durch die schneebestäubten Scheiben der Heckfenster hindurch konnte Niklas sehen, dass Köhler Schaufeln, Seile sowie eine Spitzhacke in den Wagen verladen hatte. »Drüben auf der Passstraße werden noch Männer gesucht, die helfen, den Schnee wegzuräumen«, erklärte Köhler. »Aber was machst du hier? Schickt dich etwa dein Vater?«
    Vater? Niklas war viel zu überrascht, als dass ihm

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