Weisser Schrecken
Glas oder was immer bewegt, und zwar in Richtung der Buchstaben. Daraus ergeben sich dann angeblich ganze Worte.«
»Und ihr habt so ein Brett?«, fragte Andreas ungläubig.
»Nein, natürlich nicht.« Miriam schüttelte den Kopf. »Aber so etwas kann man doch ganz leicht selbst bauen. Der Untergrund muss bloß glatt genug sein, damit das Glas, oder was wir sonst als Anzeiger nehmen, leicht hin- und herrutschen kann. Eine Seidendecke oder so würde es auch tun. Die Buchstaben kleben wir dann auf.«
»Ihr meint das wirklich ernst?« Robert seufzte schwer. »Okay. Ich glaube, meine Mutter besitzt ein schwarzes Seidentuch. Wenn ihr wollt, können wir das nehmen.«
»Du bist auch dafür, dass wir uns an einer Geisterbeschwörung versuchen?« Andreas behagte der Plan ganz und gar nicht.
»Scheiße, wenn uns sonst nichts anderes einfällt, dann versuchen wir es eben damit«, antwortete sein Freund.
»Heute noch?«
»Ja, ich denke wir dürfen das nicht aufschieben.« Miriam sah blass in die Runde. »Wir müssen das nur richtig vorbereiten. Außerdem sollten wir das an einem Ort ausprobieren, der mit all unseren Geschwistern in Verbindung steht.«
»Und was für ein Ort soll das sein?«, fragte Niklas.
»Stimmt, davon wisst ihr ja noch gar nichts.« Elke kramte aufgeregt nach dem Portemonnaie in ihrer Jacke und fischte ein vergilbtes Zettelchen heraus. »Schaut mal, das hier haben wir in dem verborgenen Zimmer gefunden, als ihr schon weg wart. In Annas Federmäppchen. Es ist eine Nachricht von deinem Bruder Michael, Andy.« Gespannt beugten sich die Freunde über das Stück Papier.
Hallo Anna,
sag Gretl Bescheid, daß wir uns nachher um 16 Uhr wie immer im alten Bootshaus treffen. Stefan und Jonas kommen ebenfalls. Die haben etwas Interessantes über Strobel rausgefunden.
Michi
»Schon wieder Strobel«, fluchte Andreas. »Da fragt man sich doch gleich wieder, warum der uns unbedingt zu dieser verdammten Nachtwanderung nötigen will.«
»Darum kümmern wir uns später«, meinte Elke. »Das Wichtigste daran ist doch, dass unsere Geschwister offenbar einen heimlichen Treffpunkt hatten. Damit muss dieser alte Bootsschuppen gemeint sein.«
»Die verfallene Hütte am See?« Andreas nahm ihr den Zettel aus der Hand. »Die muss doch schon damals renovierungsbedürftig gewesen sein.«
»Eben, ein idealer Treffpunkt.« Miriam grinste. »Genau so wie unsere Baumhütte hier. Ich finde, wir sollten das mit dem Hexenbrett dort ausprobieren.«
»Und wann?«, wollte Niklas wissen. Er hatte sich wieder beruhigt.
Elke sah auf die Armbanduhr. »In etwas über einer Stunde geht die Sonne schon wieder unter. Angesichts der Vorbereitungen wird das heute Nachmittag nichts mehr. Miriam und ich schaffen das höchstens heute Abend, wenn Vater und Mutter glauben, dass wir schlafen. Vielleicht gegen 22 Uhr? Wir treffen uns dann direkt beim Bootshaus, okay?«
»Super, kurz vor der Geisterstunde«, stöhnte Robert. »Wie passend.«
»Wir ziehen das also tatsächlich durch?« Andreas atmete tief ein. »Gut, wie ihr wollt. Trotzdem sollten wir den Tag nicht ungenutzt verstreichen lassen. Es gibt nämlich noch ein paar andere Spuren.«
»Und welche?« Niklas rückte neugierig seine Brille zurecht.
»Derer zwei«, antwortete Andreas kryptisch. »Um die erste darfst du dich kümmern. Das ist nämlich genau dein Ding.« Er öffnete seine Jacke und zog den Briefumschlag mit der Mahnung der einstigen Gemeindebücherei Perchtals aus der Innentasche. »Hier in Perchtal gab es früher mal eine kleine Leihbücherei. Mein Bruder hat damals ein Buch mit dem Titel ›Brauchtümer des Alpenlandes‹ ausgeliehen. Ich meine, jetzt mal ehrlich: Wer leiht sich so etwas zum Vergnügen aus? Außerdem bin ich immer noch davon überzeugt, dass das, was die fünf 1978 beschäftigt hat, auch mit ihrem Verschwinden zu tun haben könnte. Ich habe daher das Telefonbuch konsultiert und diese Maria Stadler rausgesucht. Die war da früher als Bibliothekarin beschäftigt. Leider ist sie letztes Jahr gestorben. Aber ihr Sohn war dran. Und der hat mir erzählt, dass die Bücherei bereits 1984 aufgelöst wurde. Zu wenig Interessenten. Vieles wurde auf Flohmärkten verscheuert, aber die wertvolleren Bestände der Bibliothek wurden ins Vereinsheim geschafft. Mit etwas Glück findet sich das Buch also dort.«
»Und das soll ich holen und lesen?«, fragte Niklas wenig begeistert.
»Na klar, wer denn sonst?« Elke zwinkerte ihm zu.
Niklas wurde rot. »Okay, dann mache
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