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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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alten Bootsrumpf; die Flamme in ihrem Innern warf ein unruhiges Licht auf die Wände. Gemeinsam wuchteten sie die alte Holzplatte auf die drei Baumstümpfe. Anschließend befreiten sie das Holz von Schmutz und Unebenheiten.
    »Haben eure Eltern eigentlich bemerkt, dass ihr das verborgene Zimmer gefunden habt?«, fragte Robert, während sie die Schieflage der Platte mit Schnee ausglichen, den sie unter die Böcke schoben.
    »Gott sei Dank nicht«, antwortete Miriam. »Oben bei uns in der Wohnung ist es aber auch so düster, dass man schon genau hinschauen muss, wenn man die aufgetrennte Tapete entdecken will.«
    Robert und Miriam breiteten das schwarze Seidentuch auf den Untergrund und legten das Hexenbrett darauf. Atemlos sahen sich die vier das Werk an. Sie hatten die 26 Buchstaben des Alphabets kreisförmig angeordnet. Der weiße Lack glänzte in Licht ihrer Lampen. Allein zwischen dem Buchstaben A und dem Buchstaben Z sowie zwischen den Buchstaben M und N klaffte jeweils eine Lücke, in die sie die Worte Ja und Nein geschrieben hatten. Mittig befand sich ein weiterer Ring mit Ziffern von eins bis null.
    »Was ist bloß mit Niklas? Wo bleibt der?« Robert spähte zur offen stehenden Tür, doch dort draußen in der Dunkelheit war nichts als wirbelndes Schneetreiben zu erkennen.
    »Hat denn niemand mehr mit ihm gesprochen, seit er zum Vereinsheim gegangen ist?«, fragte Miriam. Robert und Andy zuckten mit den Schultern.
    »Hoffentlich ist ihm nichts passiert.« Elke warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Schon zwanzig nach elf. Also, wenn er jetzt noch nicht da ist, dann wird ihm wohl etwas dazwischengekommen sein. Ich würde vorschlagen, wir beginnen, oder?«
    »Meinetwegen.« Andy sah auffallend blass aus. Auch Robert spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals klopfte. Dabei hatten sie noch nicht einmal angefangen.
    Sie zogen die Tür des Bootsschuppens zu und gruppierten sich im Schneidersitz um das improvisierte Hexenbrett. Scheiße, war das auf dem Boden kalt. Miriam fischte die Gläser aus der Sporttasche und entschied sich schließlich für ein schlichtes Wasserglas mit glattem Boden, dass leicht über das Seidentuch rutschte. Angespannt rückte sie es ganz ins Zentrum der beiden Kreise aus Buchstaben und Zahlen. Bei jeder Bewegung huschten ihre Schatten über die Wände, und immerzu hörte man, wie von draußen der kalte Wind durch Ritzen und Fugen säuselte. Andy hatte seine Lampe quer auf den Schoß gelegt, er selbst griff nach einem der alten Gartenstühle und deponierte die Taschenlampe so, dass der Lichtkegel unmittelbar auf das Seidentuch fiel. »Und jetzt?«, fragte er mit rauer Stimme.
    »Keine Ahnung«, wisperte Elke. »Ich glaube, wir müssen jetzt jeder einen Finger auf den Glasrand legen. Keiner von uns darf auf das Glas Druck ausüben.«
    »Brauchen wir nicht jemanden, der die Fragen stellt?«, flüsterte Miriam.
    Elke nickte und sah in die Runde. Doch niemand meldete sich. »Ich schlag vor, du machst das.« Sie nickte Robert zu. »Ist doch das Tuch deiner Mutter.«
    »Na super.« Er atmete tief ein. Überhaupt kam er sich inzwischen mehr als töricht vor. Doch wenn er jetzt kniff, dann würde ihm das ewig nachhängen. Er streckte die Hand aus und legte einen Finger auf den Glasrand. Die anderen taten es ihm nach. Andy nicke ihm auffordernd zu, und Robert versuchte sich zu erinnern, was er über das Gläserrücken überhaupt wusste. Eine kleine Einstimmung konnte nicht schaden.
    »Hier sitzen Elke, Miriam, Andy und Robert«, sprach er belegter Stimme. »Wenn ihr uns hören könnt, dann antwortet uns.«
    Das Glas rutschte langsam in Richtung Ja. Entgeistert machte Robert die Bewegung mit, und auch die Mädchen stießen einen erschrockenen Laut aus, als Andy losprustete.
    »Sorry, ich konnte einfach nicht widerstehen.«
    »Mann!« Elke schlug ihm gegen die Schulter. »Hör auf mit so was. Ich hab mir fast in die Hose gemacht.« Andy lachte noch immer. Robert hatte sich ebenfalls erschreckt, doch auch er musste grinsen. Die Idee hätte ehrlich gesagt auch von ihm stammen können. Sie schoben das Glas wieder in die Mitte des Tuchs und legten ihre Finger abermals auf den Glasrand.
    »Und jetzt ernsthaft, bitte.« Robert wartete bis wieder Ruhe eingekehrt war. »Hier sind Elke, Miriam, Andy und Robert«, hub er erneut an und lauschte gespannt dem Nachhall seiner Stimme.
    »Wenn ihr uns hören könnt, dann antwortet uns.« Über ihnen knarrten die Balken, und der Sturm draußen rüttelte immer heftiger an

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