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Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
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Schnee eingeebnete Uferregion entlang. Endlich, da hinten war es!
    Robert blinkte mit seiner Taschenlampe dreimal und erhielt zu seiner Erleichterung ein ebensolches Lichtsignal zurück. Gott sei Dank, die anderen waren schon da! Er beschleunigte seine Schritte, marschierte durch knackendes Gehölz und an grotesk aus dem Boden ragenden Baumwurzeln vorbei und erreichte endlich das windschiefe Gebäude. Stumm ragte es vor ihm auf. Der Schuppen hatte in etwa die Ausmaße von zwei oder drei Garagen. Der braune Außenanstrich war längst abgeblättert, auf dem Schrägdach lastete eine dicke Schneekappe, und die Fenster waren mit Brettern vernagelt worden. Den alten Steg hinaus auf die zugefrorene Wasserfläche konnte man in der Finsternis nur deswegen erkennen, weil sich die weiße Pracht dort fast einen halben Meter hoch über dem Niveau des Sees türmte.
    »Wo seid ihr?«, flüsterte Robert.
    Statt einer Antwort vernahm er nur das Säuseln des Windes, in das sich hin und wieder das Knacksen eines Asts mengte. Robert beleuchtete Bootshaus und Umgebung mit einem unguten Gefühl. Er war doch nicht bescheuert. Irgendjemand musste ihm doch eben diese verdammten Lichtzeichen gegeben haben. Doch außer ihm war hier niemand. Robert ließ den Lichtstrahl über die zugenagelten Fenster des Gebäudes wandern und sah, dass an einer Stelle eine der Scheiben freilag. Hatte sich das Licht seiner Taschenlampe darin gespiegelt?
    Etwas weiter hinter ihm im kleinen Wäldchen knackste es. Robert ruckte herum. Schemenhaft konnte er drei Gestalten zwischen den Bäumen ausmachen, die leise fluchend auf ihn zukamen: Andy, Elke und Miriam. Robert atmete erleichtert aus und warf einen Blick auf die Uhr. Inzwischen war es bereits halb elf. Sie lagen ein gutes Stück hinter ihrem Zeitplan.
    »Wartest du schon lange?«, begrüßte ihn Andy, der als Erster aus der Baumgruppe trat. Er hielt eine Plastiktüte in den Händen. »Nee, bin selbst eben erst hier angekommen«, antwortete Robert. »Ich hätte vielleicht einen anderen Weg einschlagen sollen, als ausgerechnet am Ufer entlang zu gehen.«
    »Bei uns hat es sich verzögert, weil ich erst noch eine Leiter auftreiben musste. Elkes und Miriams Eltern haben sich die ganze Zeit unten im Esszimmer rumgetrieben, und so mussten die beiden oben über das Badfenster raus.«
    »Ich hoffe, die Bierbichlers haben nichts von der Aktion mitgekriegt?«
    »Nein, ich denke nicht«, meinte Elke keuchend, die nun ebenfalls aus dem Wäldchen trat und Miriam über eine sperrige Wurzel half. Ihre Schwester hielt eine Petroleumlampe in Händen, die bei jedem ihrer Schritte klapperte. »Eine halbe Stunde bevor Andy bei uns aufgeschlagen ist, kam Mutter noch mal zu uns rauf. Das macht sie sonst nie. Fast so, als wollte sie überprüfen, ob wir noch da sind. Wir haben uns natürlich schlafend gestellt.«
    »Erzählt schon, was hat eure Aktion bei dem alten Hoeflinger ergeben?« Andy und Elke sahen sich unbehaglich an und berichteten ihm von ihrem Besuch bei dem alten Mann. Ungläubig starrte Robert seine Freunde an.
    »Alle sechzehn Jahre verschwindet hier ein Kind? Das kann doch nicht wahr sein.«
    »Glaube mir, der alte Hoeflinger hat echt ein Rad ab«, Andy drehte den Finger über der Stirn, »aber die Papiere, die er uns gezeigt hat, waren alle glaubwürdig. Natürlich ist diese ganze Verschwörungstheorie Unsinn, aber es bleibt doch ein ziemlich übler Nachgeschmack, wenn man sich überlegt, wie lange das hier schon so geht.«
    »Nur, dass beim letzten Mal gleich fünf verschwunden sind«, fasste Robert die Meldung zusammen. »Plus dem alten Pfarrer Strobel«, korrigierte ihn Elke. »Auf gar keinen Fall gehen wir morgen mit seinem Bruder zu dieser Nacht Wanderung.«
    Andy trat dicht vor ihn. »Ich für meinen Teil glaube nicht an diese Unfalltheorie«, meinte er. »Ich sag dir, hier läuft irgendeine Scheiße ab, die wir uns nicht mal im Entferntesten vorstellen können.«
    Robert nickte besorgt. »Wo ist eigentlich Niklas?«
    »Ich hatte gehofft, er wäre schon hier«, sagte Miriam.
    »Hoffentlich ist er nicht wieder abgehauen, bloß weil wir noch nicht da waren.« Robert ließ den Lichtstrahl abermals über den vereisten Bootsschuppen und die wie unter Zuckerguss erstarrte Uferregion wandern. »Immerhin sind wir es, die sich verspätet haben. Warten wir auf ihn?«
    »Was bleibt uns anderes übrig?« Andy seufzte und ließ seine eigene Taschenlampe ebenfalls aufflammen. Dann kramte er ein Brecheisen und einen

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