Weißer Teufel
High Street und führte eine Horde lärmender Jungs an. Sie verstummten, als sie Andrew und Fawkes zusammen sahen.
»Alles gut, Sir?«, rief St. John spöttisch.
»Ja, danke, St. John«, brummte Fawkes. Er schloss seine Tür auf, während Andrew und die anderen Lot-Schüler Blicke wechselten.
Fawkes hatte am Morgen vergessen, sein Zimmer aufzuräumen. Abgestandener Rauch, der durcheinandergewirbelt wurde, als er die Tür öffnete, hing in der Luft. Er zog die Jalousien hoch und öffnete die Fenster. Dann leerte er den vollen Aschenbecher in den Mülleimer und tauchte zwei Cocktailgläser in die Seifenlauge, die noch im Spülbecken stand.
»Wo drückt der Schuh, Andrew ?«, fragte Fawkes und warf seinem Besucher einen Seitenblick zu. Der Junge hielt immer noch die Bücher fest an sich gepresst; er nahm Platz, saß aber ganz aufrecht wie jemand, der auf die Fragen eines Prüfers wartete. Unsicher. »Bist du hier, weil dueinen Rat wegen deiner Rolle hören willst? Wegen Byron?« Fawkes fand kein Küchentuch und wischte sich die Hände an seiner Hose ab. »Es ist schwierig, eine Legende zu spielen, was?«, sagte er, als er wieder ins Wohnzimmer kam. »Genauso schwierig ist es, über eine zu schreiben. Du musst dir immer ins Gedächtnis rufen: Byron war ein eigenwilliges menschliches Wesen, das diese Schule besucht und in diesem Haus gewohnt hat, genau wie du. Du verstehst ihn so gut wie alle anderen. Vielleicht sogar besser.« Fawkes zündete sich eine Zigarette an und ließ sich Andrew gegenüber nieder. Er dozierte. »Was hat ihn motiviert? Vielleicht kannte er sich selbst nicht …«
»Mr. Fawkes«, fiel ihm Andrew ins Wort. »Ich möchte mit Ihnen über etwas anderes sprechen.« Fawkes gefiel Mr. Fawkes noch weniger als Sir . »Warum nennst du mich nicht Piers?«, bot er frostig an.
»Ich war nicht sicher, ob ich Sie aufsuchen sollte.« Andrew hielt den Blick gesenkt.
»Jetzt bist du da. Heraus damit.«
»Glauben Sie an Geister?«, fragte Andrew.
»Wie bitte. Ob ich …?«
»Es ist eine seltsame Frage, nicht?«
»Das kommt darauf an«, erwiderte Fawkes. »Warum willst du das wissen?«
»Ich, äh …« Er hielt inne. Sammelte sich. »Wenn ich Ihnen etwas erzähle, bleibt das dann unter uns? Oder sollten wir das Thema lieber … hypothetisch behandeln? So, als wäre es lediglich eine Möglichkeit. Und Sie können mir dann einen Rat geben?«
Fawkes steckte sich eine frische Zigarette an.
»Es wäre vernünftig und gutherzig, ja zu sagen und dich reden zu lassen, bis du sicher bist, dass du mir vertrauenkannst. Aber ich bin wirklich nicht klug genug, in Rätseln zu sprechen, Andrew. Du wirst gehen, und ich sitze dann noch nächste Woche hier und versuche, das Ganze zu entschlüsseln. Warum redest du nicht Klartext? Was ist los?«
Andrew sank in seinem Sessel zusammen, als versuchte er, sich vor sich selbst zu verstecken. In der kurzen Zeit, die er in dieser Schule zugebracht hatte, waren ihm viele schmähende Bezeichnungen für »homosexuell« zu Ohren gekommen, und die unglücklichen Jungs, die ihre Neigung gezeigt hatten (Hugh oder das dünne Mitglied der Gilde für das Klavierstipendium), mussten darunter leiden. Der Spott und das Miauen waren öffentlich und wurden sogar im Beisein der Lehrer im Speech Room abgefeuert wie Steine auf einem öffentlichen Platz. Diese Jungs waren schlichtweg schwul, hatten feminine Manierismen angenommen, den weichen Tonfall, die Gesten, die andeuteten: Ich spreche eine andere Sprache als ihr. Andrew hatte nicht den Eindruck, einer von ihnen zu sein. Andererseits empfand er auch keinen Stolz, zu den anderen zu gehören – zu den breitschultrigen Rugby-Stars oder den Typen, die ihren Mangel an Feingefühl zur Schau stellten wie St. John und Vaz, die vermutlich der Inbegriff von Heteros waren. Gefangen zwischen beiden Lagern zu sein machte Andrew Angst.
Und an dieser Stelle vollzogen Andrews Gedanken eine Wende. Vielleicht ist diese Angst für jeden, der mit der Wahrheit über sich selbst konfrontiert wird, ganz natürlich. Vielleicht ist das Ablehnung. Wenn er sich bekennen und zur anderen Seite wechseln würde, könnte er vielleicht der Mensch sein, der er sein sollte.
Aber das fühlte sich einfach nicht richtig an. Andrews Körper hatte die Berührung des wilden, schmächtigen Jungen gespürt, aber sein Geist war verletzt. Ich bin jemand, der einem anderen erlaubt hat, Dinge mit ihm zu machen . Er war lediglich ein Empfänger (ungeachtet der Taktik des
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