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Weißer Teufel

Weißer Teufel

Titel: Weißer Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justin Evans
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sich einmal den Fuß aufgespießt. Er musste eine Nacht in der Klinik bleiben.«
    Andrew stieß ein Quieken aus.
    »Was ist?«, fragte Roddy.
    »Kalt!«
    »Und deshalb kreischst du wie ein Mädchen?«
    »Ich trete ins Wasser.« Eine Sekunde später: »Es ist nicht tief. Höchstens dreißig Zentimeter. Heilige Scheiße, ist das kalt.«
    »Sei vorsichtig.«
    Das Seil straffte sich. Dann: »Ich hab’s.«
    »Irgendwelche Nägel?«
    »Eine kleine Blechbüchse. Ich kann nicht raufklettern, wenn ich sie in der Hand habe. Zieh sie zuerst hinauf, dann komme ich dran.«Roddy schaute von oben zu, wie Andrew die Büchse am Seil befestigte. Roddy zog sie hinauf, löste das Seil und untersuchte sie. In diesen Minuten stand Andrew zitternd mit nacktem Oberkörper und allein im Dunkeln im eisigen Wasser. Seine Füße wurden taub, während er gegen die wachsende Panik ankämpfte. Was, wenn Roddy ihn aus irgendeinem Grund allein ließ? Oder einen Unfall da oben hatte.
    »Roddy?«, rief er ängstlich.
    »Die Büchse ist antik. Sie muss schon seit Ewigkeiten da unten liegen.«
    »Roddy!«
    »Was meinst du, was da drin ist?«
    »Roddy, wirf mir das Seil herunter!«
    »Schon gut, schon gut. Reg dich nicht so auf.«
    Nach zehn Minuten stand Andrew mit schmerzenden Muskeln und Handgelenken wieder auf dem Steinboden neben Roddy. Er zitterte und keuchte.
    »Schau dir dieses handwerkliche Können an«, sagte Roddy und drehte die Büchse bewundernd in den Händen; Andrew leuchtete mit der Taschenlampe. Die Büchse war geschwungen wie eine Violine. »Kein Rost. Sie muss die ganze Zeit unter Wasser gelegen haben.«
    Den Deckel zierte eine Abbildung von einer Kutsche und Pferden auf einer Landstraße. Zwei Männer in Gehröcken und ein Hund sahen ihr nach; im Hintergrund: Wald. Die Seiten waren dunkelrot und goldgestreift.
    »Ist was drin?«
    Roddy schüttelte die Dose. »Zumindest kein Gold.« Aber es war etwas zu hören. Roddy schob die Fingernägel unter den Deckelrand. »Die Scharniere sind noch intakt!«,staunte er. »Made in England. Das ist es. Heutzutage kommen solche Sachen aus China und werden aus giftigem Müll hergestellt. Sie zersetzen sich in der Hand, bevor sie dich zersetzen.« Er öffnete den Deckel und nahm ein kleines Bündel aus der Dose.
    Das hielt er ins Licht.
    »Papier«, verkündete er.
    Andrew wischte sich den Dreck von den Händen. »Lass mich sehen.«
    Roddy reichte ihm das mit einer Schnur zusammengehaltene Papierbündel.
    »Es ist ganz dicht beschrieben«, sagte Andrew und neigte den Kopf zur Seite. Die kindlich runde Schrift ging von links nach rechts und an den Rändern von unten nach oben. Die Worte machten wenig Sinn, und eine Zeile schien nicht zur anderen zu führen.
    »Ist es das? Hast du danach gesucht?«, wollte Roddy wissen.
    Andrew betrachtete das Bündel in seiner Hand und las den Text ganz oben auf der Seite.
    Wenn Du mich verlässt, wirst Du für immer dran denken … aber es ist nicht so – ich folge Dir … zumindest zwei Tassen Blut mit Händen aufgefangen.
    Er versuchte, einen Sinn darin zu erkennen, gab aber bald auf und schüttelte den Kopf. »Ich weiß nicht so recht.« Er zupfte an den Rändern der Bögen, die wegen ihres Alters aneinanderklebten.
    »Zerreiß sie nicht, Mann«, schimpfte Roddy. »Du musst einen Experten bitten, die Seiten voneinander zu lösen. Jemanden, der sich mit alten Dokumenten auskennt. Fällt dir da jemand ein?«

13

Awesome Aunty
    Father Peter beobachtete Piers Fawkes mitleidig. Die meisten Lehrer und Verwaltungsangestellten hatten anfangs große Achtung vor Fawkes gehabt, auch der Kaplan. Eine Zeitlang war Fawkes durch Fernsehinterviews und Fotos in Zeitschriften bekannt gewesen wie ein bunter Hund. Father Peter erinnerte sich an ein spezielles Titelfoto: ein Schwarz-Weiß-Porträt von Fawkes in Pullover auf einem Stuhl und mit einer brennenden Zigarette zwischen Fingern mit schmutzigen Nägeln; er sah verlottert und heruntergekommen aus. Doch das war Jahre her. Die Leute hier in der Schule (wenigstens diejenigen, die über so etwas klatschten) fragten sich, was Fawkes hier zu suchen hatte. Er war nicht gerade der typische Erzieher. Auch kein würdiger Gastdozent. Ziemlich konfus, so hat ihn jemand beschrieben. Und jetzt schien diese Konfusion in etwas Fürchterliches umzuschlagen. Armer Kauz – mit diesem Job hatte er sich mehr aufgeladen, als er geahnt hatte. Vielleicht geht es um den Jungen, der gestorben ist, überlegte Father Peter, als sich Fawkes auf

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