Weißer Teufel
seinem Sofa wand, als würde ihn etwas von innen auffressen. Seine Haut war bleich. Er schwitzte – sein Jackett hatte große Flecken unter den Achseln, und sein Haaransatz war nass. Aber Father Peter entschied, all das mit englischer und klerikaler Zurückhaltung zu ignorieren, den Mann reden zu lassen, wenn er wollte.
»Wie wär’s mit einem Sherry, Piers?«, erkundigte sich Father Peter freundlich.
Als er das hörte, bekam Fawkes einen heftigen Hustenanfall.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte der Kaplan.
Fawkes winkte ab. »Alles bestens«, krächzte er. »Mir geht’s gut.«
Father Peters Lächeln wurde dünner. »Wie kann ich Ihnen helfen?«
»Ich, äh …«, begann Fawkes. »Wissen Sie, wie, äh …« Wieder musste er husten.
»Wasser?«, bot der Geistliche an, stand auf und goss Wasser in ein Glas.
Fawkes trank es auf einen Sitz aus.
»Ich hab einen Frosch im Hals.«
»Ja.«
Father Peter wartete.
Endlich platzte Fawkes heraus: »Wissen Sie, wie man einen Geist loswird?«
Jetzt verschwand das Lächeln ganz. »Wie bitte? Sagten Sie gerade, Sie wollen einen Geist loswerden?«
»Ja«, bestätigte Fawkes so beiläufig wie möglich. »Gibt es da ein Gebet? Irgendeine Zeremonie?«
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, mir zu verraten, weshalb Sie mich das fragen, Piers?«
Fawkes gab eine ausweichende Antwort … es gehe um das Lot-Gespenst, eine Legende, eine Tradition … aber nach Theo Ryders Tod, meinte er, sei das Interesse wiedererwacht … an etwas, dem man die Schuld geben könne, was das Unerklärliche erkläre.
»Wollen Sie damit sagen«, hakte Father Peter nach, »die Jungs machen den Geist für Theo Ryders Tod verantwortlich?«
»Einige Jungs«, stellte Fawkes klar.
»Und Sie dachten, ein Gebet oder ein Exorzismusritual könnte sie beruhigen?«
Fawkes nickte. »Ich muss Sie bitten, diese Sache vertraulich zu behandeln«, fügte er eilends hinzu. »Der Rektor hält mich in diesem Punkt ohnehin für verrückt.«
»Hm«, machte der Kaplan und musterte seinen schwitzenden Gast. »Ja. Nun, das ist ungewöhnlich. Ich habe natürlich schon von dem Lot-Gespenst gehört. Allerdings möchte ich … einem Aberglauben keine Bedeutung beimessen. Verstehen Sie?« Er machte eine Pause. »Und Sie, Piers? Denken Sie, da ist was dran?«
Endlich hörte Fawkes auf, hin und her zu rutschen. »Ich denke«, erwiderte er bedächtig, »dass ich Vorsichtsmaßnahmen ergreifen muss. Ich trage die Verantwortung für die Jungs.«
Father Peter zögerte. »Haben Sie etwas … gesehen ?« Das könnte dieses merkwürdige Verhalten erklären. Vielleicht hatte er Angst.
»Ob ich etwas gesehen habe? Nein, nicht persönlich.« Fawkes tupfte sich die Stirn ab. »Aber einige der Jungs schon. Insbesondere einer, sollte ich wohl sagen.«
»Und Sie glauben ihm?«
»Ja.«
»Hm. Außergewöhnlich.« Der Geistliche kaute auf seiner Lippe. Er setzte zusammen, was er soeben von Fawkes erfahren hatte. »Tut mir leid. Verzeihen Sie mir, wenn ich ein wenig begriffsstutzig bin.« Er hielt kurz inne. »Aber wenn die Jungs glauben, dass der Geist schuld an den Geschehnissen und an Theo Ryders Tod ist … und Sie ihnen glauben … dann denken Sie wie Ihre Schützlinge.« Er beobachtete Fawkes aufmerksam. »Habe ich das richtig verstanden?«
»Na ja«, entgegnete Fawkes mit einem verlegenen Lächeln, »wenn ich jetzt ja sage, dann muss ich verrückt sein, oder?«
»Durchaus«, antwortete Father Peter ausdruckslos, wie es nur Briten vermögen, und drückte damit aus: Kann sein oder Ich behalte mir ein endgültiges Urteil vor . Er begegnete Fawkes’ Blick und hatte das Gefühl, zum Kern des Problems vorgestoßen zu sein.
»Und falls ich, der die Verantwortung für sechzig Schüler trägt, verrückt sein sollte, wäre ich fehl am Platze, stimmt’s? Der Rektor hätte recht, wenn er mich von meinen Pflichten entbinden würde.«
Der Kaplan schwieg.
»Wenn ich andererseits«, fuhr Fawkes fort, »tatsächlich glauben würde, dass etwas Übernatürliches und Schädliches sein Unwesen treibt, und nichts unternehme, würde man mich für alles, was geschieht, zur Rechenschaft ziehen.« Die beiden Männer sahen sich an. »Drücke ich mich klar aus?«
»Sehr klar.« Der Geistliche war nachdenklich. »Und wenn ich ein Gebet im Lot spreche – nur als Vorsichtsmaßnahme, um den Schülern in einer schwierigen Zeit Halt zu geben –, wäre das genug?«
»Genau das brauchen wir«, beteuerte Fawkes.
Father Peter
Weitere Kostenlose Bücher