Weißer Teufel
strahlte.
Fawkes hatte den Kaplan immer gemocht. Jugendlich, schlank – ein Läufer; immer vergnügt, sozial eingestellt und keiner dieser albernen Kleriker, die darauf aus waren, die Karriereleiter nach oben zu klettern. Fawkes würde eine bessere Meinung von Priestern und ihren Zauberkünsten haben, wenn dieses Vorhaben geglückt war.
»Da ist noch etwas«, kündigte Fawkes an.
»Liebe Güte. Raus damit.«
»Es ist ziemlich heikel. Ah … können Sie sich noch ein bisschen Zeit lassen?«
»Wie bitte?«
»Können Sie warten? Sagen wir, ein, zwei Wochen.«
»Ich brauche mindestens so lange zur Vorbereitung. Das ist etwas, was ich Spezialistenarbeit nennen würde. Die Church of England macht solche Sachen, aber nicht ohne Voruntersuchung.« Father Peter lächelte so entwaffnend, wie es ihm möglich war. »Um sicherzugehen, dass dies die richtige Lösung für das richtige Problem ist. Haben Sie das Gefühl, dass der Geist gefährlich ist?«
»Sehr sogar.«
»Dann werde ich mich sofort darum kümmern.«
»Eine oder zwei Wochen wären wunderbar«, sagte Fawkes. »Ich bin Ihnen für Ihre Diskretion dankbar.«
»Ist doch selbstverständlich.«
Der Kaplan begleitete seinen Gast hinaus. Als er die Tür zur High Street öffnete, hielt er inne. Sie standen sich in der eisigen Brise gegenüber.
»Sie halten ihn für gefährlich«, sagte der Priester, »deshalb verstehe ich nicht, warum sie noch eine oder zwei Wochen warten wollen. Das erscheint mir ein krasser Widerspruch zu sein.«
»Ich möchte ihn noch eine Weile studieren«, gestand Fawkes. Father Peter riss die Augen auf. »Ich denke, der Geist hat etwas mit Lord Byron zu tun. Wenn Sie ihn zu schnell verscheuchen, dann bekomme ich kein Originalmaterial für mein Stück mehr.«
»Sie scherzen sicherlich.«
Fawkes sagte nichts dazu.
Father Peter musterte ihn kühl. »Sie setzen Ihre Prioritäten falsch, Piers.«
»Ich weiß.« Der Poet zog die Schultern hoch, um sich gegen den Wind zu schützen. »Daran bin ich gewöhnt.«
Dr. Kahn nahm argwöhnisch das Bündel entgegen, als ob ihr Andrew eine Papiertüte voller Pfundnoten überreichen würde.
»Ich hab die Briefe eingepackt, damit das Fett von meinen Fingern nicht draufkommt.«
»Gut gemacht«, sagte sie gleichmütig. »Und wo hast du sie gefunden?«
»In der Zisterne. Unter Wasser in einer Blechdose.«
»Darf ich die Dose sehen?«
Er holte sie aus seinem Rucksack. »Ist das eine spezielle Schatulle für Briefe oder so was?«
Dr. Kahns Büro auf der Ostseite des Bibliotheksgebäudes mit Blick auf die Steinmauer der Kapelle war hell erleuchtet. Eine Mischung aus der Kommandozentrale einer Verwalterin, dem Schlupfwinkel einer Forscherin und einem Lagerraum. Regale reichten vom Boden bis zur Decke, jedes ordentlich unterteilt und beschriftet, gefüllt mit Büchern, Akten und Heftern. Sie thronte an einem Schreibtisch – eine Monstrosität aus Holz, knappe zwei Meter breit, und nippte an einem getöpferten Teebecher mit der Aufschrift Awesome Aunty .
»Briefe?« Sie drehte lächelnd die Büchse in der Hand. »Sie ist für Plätzchen gedacht. Ein Glück für uns. Diese Dosen sind luftdicht, damit das Gebäck haltbar bleibt. Sie konnte kaum die gewünschte Lösung sein. Dein Briefschreiber muss es eilig gehabt haben. Oder vielleicht sollte ich besser sagen: der Empfänger.«
»Wie kommen Sie darauf ?«
»Sag du es mir«, befahl sie in ihrem eisenharten Ton.
Sie schnitt mit einer Schere die Schnur, die die Briefe zusammenhielt, durch. Andrew zuckte zusammen. Er hatte seinen Fund mit äußerster Vorsicht behandelt und auch die Schnur nicht angerührt.
»Weil … der Empfänger die Briefe in Besitz haben muss und demzufolge die Person ist, die sie gesammelt und in der Zisterne deponiert hat.«
»Ganz genau«, murmelte sie und suchte in einer Schublade nach einer kleinen Box, aus der sie weiße Handschuhe – Latexhandschuhe – nahm. Dann machte sie Platz auf ihrem Schreibtisch.
»Warum schreibt er so kreuz und quer?«, wollte Andrew wissen. »Und drängt die Zeilen so dicht zusammen?«
»Im neunzehnten Jahrhundert war Schreibpapier schwer zu bekommen. Briefschreiber schrieben von links nach rechts wie wir, aber wenn das Papier zu Ende war, fügten sie vertikale Zeilen hinzu.« Sie fuhr mit dem rechten Zeigefinger von links nach rechts, dann von unten nach oben. »Dieser Schreiber hatte eine Menge zu sagen. So was hab ich noch nie gesehen.« Sie runzelte die Stirn. »Furchtbar schwer zu
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