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Weißes Gift im Nachtexpreß

Weißes Gift im Nachtexpreß

Titel: Weißes Gift im Nachtexpreß Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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ungemütlich werden.“
    „Es... ist was Persönliches. Kümmere
dich nicht darum. Du willst sicherlich zu Bert. Aber der ist wieder nicht da.“
    In der Jackentasche faßte Tim nach der
Stoffmaus.
    „Schade. Könnte ich mal Ihr Telefon
benutzen?“
    Sie ließ ihn ein.
    Der Apparat stand in der Diele. Hier
war das Licht noch matter als draußen.
    Tim zog die Hand aus der Jackentasche, und ,Mausi’ hüpfte ihm auf die Schulter, von dort sofort zur
inneren Brusttasche. „Huch!“ Irene wich zurück. „Hast du ein Vieh?“
    „Meine Maus Esmeralda. Absolut zahm.
Beißt nicht und... verdammt!“ Er wirbelte auf den Absätzen herum. „Jetzt ist
sie mir entwischt. Dort rein ist sie — nein, dorthin. Oder in das Zimmer?
Verdammt! Bei Ihnen stehen ja alle Türen offen.“
    Das traf keineswegs zu. Nur eine war
geöffnet — die zum Wohnzimmer.
    Tim fegte hinein. Ein Blick! Kein Bert.
    „Hier ist sie nicht.“
    Wieder in der Diele, stieß Tim in
rascher Folge alle anderen Türen auf.

    „Esmeralda — Sie glauben es nicht —
quetscht sich durch jeden Spalt.“
    Zwei Schlafzimmer. Dunkel. Und leer. Das
spürte er, ohne Licht zu machen. Bert war tatsächlich nicht da, auch nicht in
Bad oder Küche.
    „Habe ich dich!“ brüllte Tim und bückte
sich neben den Kühlschrank.
    Triumphierend schob er seine Stoffmaus
in die Brusttasche zurück.
    Irene sah ihm kopfschüttelnd zu.
    „Du solltest dir lieber einen Hund
anschaffen. Das ist praktischer.“
    „Gute Idee!“ lobte Tim. „Das Telefonat,
glaube ich, hat sich erledigt. Mir fällt ein: Meine Freundin ist jetzt gar
nicht zu Hause, sondern in der Volkshochschule. Ein chinesischer Sprachkurs
läuft dort, aber schon Teil zwei — für Fortgeschrittene.“
    „Du hast nicht unter die Betten
gesehen“, sagte Irene. „Könnte doch möglich sein, daß Bert sich dort versteckt.
Oder vielleicht hinterm Vorhang.“
    Sie sahen sich an. Tim grinste. Ertappt.
Sie war nicht dumm und sah auch nicht so aus.
    „Sie sollten ihm ausrichten: Er kann
sich nicht ewig verstecken.“
    Irene seufzte. „Also hat er wieder was
angestellt. Ich will gar nicht wissen, was. Es ist seine Sache. Ich kümmere
mich um ihn, so gut es geht. Aber er lebt sein Leben, ich meins. So ist das nun
mal bei uns.“
    Tim hob die Achseln. „Auf Wiedersehen,
Frau Hansen.“
    Kaum, daß er im Treppenhaus war, wurde
die Wohnungstür abgeschlossen. Und zusätzlich verbarrikadiert, wie er dem
Rumpeln entnahm.
    O weh! dachte Tim. Sie hat hundsmäßig
Angst. Wer sind die beiden Kerle mit ihren wütenden Blicken? Offenbar habe ich
den Türken und den andern gestört. Irene war’s recht. Wird sie drangsaliert?
Aber Einmischung will sie auch nicht. Worum geht’s? Scheut die Sache das Licht?
Hat es mit Bert zu tun?
    Er stieg die Treppe hinunter, hellwach
alle Sinne.
    Vorhin — er entsann sich genau — waren
die beiden zwar an ihm vorbeigekommen, aber er hatte nicht gehört, daß die
Haustür ins Schloß fiel. Und das hätte er hören müssen. Die Tür bestand aus
geriffeltem Milchglas im Stahlrahmen, und auch der Türstock war Stahl. Das machte
— kleng-kleng-kleng — beim Schließen. Gut zu vernehmen bis unters Dach.
    Also waren die beiden Dunkelmänner noch
im Haus. Unten? Warteten sie?
    Tim pfiff vor sich hin.
    Jetzt war er im Parterre.
    Ein schmaler Flur führte nach hinten zu
Hof oder Hinterhaus, war vollgestellt mit zwei Fahrrädern, einer Kinderkarre
und einem Schwachmotor-Moped.
    Dort war die Kellertür, dort die zum
Hof.
    Tim pfiff eine schrille Mischung aus Bye
Bye Baby und Pour Adeline, während er die Haustür weit aufriß.
    Er pfiff hinaus, trat aber nicht
hinaus, verstummte und sauste — lautlos auf Turnschuhsohlen — wieder die Stufen
hinauf.
    Unten und mit 15 Sekunden Verzögerung
fiel scheppernd die Haustür ins Schloß: kleng-kleng-kleng.
    Dritter Stock, vierter — Tim lief bis
in den fünften. Dort auf dem Treppenabsatz hockte er sich in eine dunkle Ecke
und wartete.
    Sein Atem beruhigte sich. Im Parterre
war ein Geräusch. Die Tür zum Keller. Also dort hatten sie gewartet. Jetzt
ließen sie sich bluffen. Schritte kamen herauf. Schritte von vier Füßen.
    Die Typen bemühten sich, leise zu sein.
Aber sie hatten Schuhe mit Ledersohlen, was den Tritt laut macht und rutschig.
    Keuchend erreichten Türke und Blaßgesicht
die vierte Etage und machten Halt vor Irenes Wohnung.
    Tim lugte übers Geländer.
    Die beiden wandten ihm den Rücken zu.
    Blaßgesicht pochte ans Holz.
    „Heh!“
    Er

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