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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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Freiheit des eigenen Geburtslandes« zu genießen. Doch im selben Atemzug ermahnte er sie streng, dass von nun an auch große Pflichten auf sie warteten. Viele davon waren religiöser Natur, und Berryman gab den Männern zahlreiche Beispiele sowohl aus dem Alten als auch aus dem Neuen Testament.
    Nach einer Predigt, die mindestens eine Stunde gedauert haben muss, rief Berryman den befreiten Sklaven in Erinnerung, dass sie nun wieder einer aufgeklärten Regierung unterstünden. Er klärte sie lächelnd darüber auf, dass sie endlich wieder »die englische Luft und die englische Freiheit« genießen könnten, »frei von der despotischen Unterdrückung durch jene hochfahrenden Herren«.
    Wir dürfen annehmen, dass die befreiten Sklaven darum flehten, dass die Odyssee dieses Tages mit dem Gottesdienst in der St. Paul’s Cathedral enden möge. Viele von ihnen stammten aus dem West Country und wollten rasch zum Hafen zurückkehren, um nach dem nächsten Schiff zu suchen, dass nach Devon oder Cornwall auslief. Aber es stellte sich bald heraus, dass die Feiern keineswegs zu Ende waren. Während des Gottesdienstes hatte sich eine gewaltige Menschenmenge vor der Kathedrale versammelt, um einen Blick auf die befreiten Sklaven zu werfen. Zudem hatte König Georg I. den Wunsch geäußert, sie zu treffen. Laut
Daily Post
wurden die Männer angewiesen, sich einen Weg zum St. James’s Palace zu bahnen, wo sie sich bei seiner Hoheit dafür bedanken sollten, dass er sich »für sie eingesetzt« hatte. Doch es gab kein Durchkommen. »Da sich eine große Menschenmenge versammelt hatte, um sie zu sehen, mussten sie sich in mehrere Gruppen aufteilen und unterschiedliche Wege einschlagen.« Erst im Palast fand die Gruppe wieder zusammen.
    Die Dimensionen der königlichen Residenz – die nur eine Handvoll dieser Männer je gesehen hatte – waren nicht mit denen des Sultanspalastes in Meknes vergleichbar. Das Äußere des Palais war weniger schmuckvoll, und die Fassade war alt und verwittert. »Obwohl es der Behälter all des Prunks und Ruhms Großbritanniens ist«, schrieb Daniel Defoe, »ist er wirklich klein.« Auch der Hofstaat hielt keinem Vergleich mit dem bunten Volk von Wesiren und Eunuchen statt, von denen MulaiIsmail stets umgeben war. König Georg I. lebte zurückgezogen und scheute den Prunk offizieller Anlässe. Wenn er sich auf Reisen begab, wählte er sogar Umwege über Nebenstraßen, um »Peinlichkeiten und große Menschenaufläufe« zu meiden. Einmal wies er seine Höflinge an, dafür zu sorgen, »dass er bei seiner Ankunft oder auf dem Weg nach London möglichst wenige lärmende Zuschauer antreffen« würde.
    Seine Scheu vor der Öffentlichkeit sorgte bei der Begegnung des Königs mit den befreiten Sklaven für eine gewisse Ratlosigkeit. Er kam aus dem Audienzzimmer, wo er den Großteil der Staatsgeschäfte erledigte, und ging in seinen geliebten Garten hinunter. Als er es sich dort bequem gemacht hatte und bereit war, sie zu empfangen, wurden die ehemaligen Gefangenen hineingeführt. »Bei ihrer Ankunft wurden sie in den Garten hinter dem Palast gebracht, wo seine Majestät und ihre königliche Hoheit sie betrachteten.« König Georg I. sprach selten in der Öffentlichkeit Englisch – er war eher dem Französischen zugetan –, was vielleicht der Grund dafür war, dass er es ablehnte, zu den Männern zu sprechen. Doch ihre Abgezehrtheit und Armut schien ihn wirklich zu rühren, denn er befahl, »ihnen zur Erleichterung ihres Loses 500 Pfund zu geben«. Die anderen Mitglieder des königlichen Haushalts schlossen sich ihm an und spendeten weitere 200 Pfund. In St. Paul’s waren bereits 100 Pfund für die befreiten Sklaven gesammelt worden. »Es wird angenommen, dass eine sehr viel größere Summe gespendet worden wäre, hätten viele wohltätige Gentlemen und Bürger zu ihnen vordringen können«, hieß es in der
Daily Post
. »Es besteht jedoch die Hoffnung, dass diese wohlhabenden Personen noch respektable Beiträge leisten werden.«
    In den folgenden Tagen waren die befreiten Sklaven in der Hauptstadt in aller Munde, und die Seiten der Zeitungen füllten sich mit dramatischen Schilderungen ihres Leidenswegs. Auch über Stewarts Mission wurde umfassend berichtet. Aus einer Schilderung (die nirgendwo anders erwähnt ist) geht hervor, dass es mindestens einer der freigelassenen Sklaven nicht bis nach England geschafft hatte. Im
London Journal
stand zu lesen: »Die befreiten britischen Gefangenen berichten, dass am Tag

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