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Weisses Gold

Weisses Gold

Titel: Weisses Gold Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Giles Milton
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Punkt riss seine Glückssträhne ab. Als er in völliger Dunkelheit vor der Stadtmauer stand und nach einer geeigneten Stelle Ausschau hielt, um sie zu erklimmen, wurde er »von vier Mauren ergriffen, die im Schutz der Nacht die Gärten geplündert hatten, jedoch von den portugiesischen Wachen gestört worden waren«. Pellow bemerkte die Männer erst, als es bereits zu spät war: »Die Nacht war ungemein dunkel und windig, und in dem schmalen Durchgang zwischen zwei Gartenmauern liefen sie geradewegs in mich hinein und hielten mich sofort fest.« Die Situation war kritisch, aber nicht ausweglos. Pellow beherrschte ihre Sprache und hätte sie unter Umständen mit einer Notlüge täuschen können. Doch er beging einen »sehr unglücklichen Fehler«: In dem Glauben, es handle sich um Portugiesen, sagte er den Männern, er sei ein Christ auf der Flucht.
    Er begriff sofort, dass er einen furchtbaren Fehler begangen hatte. Die Marokkaner konnten ihr Glück kaum fassen: Sie hatten einen flüchtigen Sklaven gefangen und würden ihn nicht entweichen lassen. »Sie brachten mich sofort zu ihrer Garde und legten mich in Ketten, und früh am nächsten Morgen wurde ich von mehreren Wachen nach Azzemurgeführt.« Seine Bewacher zeigten kein Erbarmen mit ihm und verspotteten ihn wegen seiner bevorstehenden Hinrichtung. »Nachdem sie mich schwer misshandelt hatten, führten sie mich ihrem Kommandanten Simmugh Hammet Beorsmine [Si Mohammed ben Othman] vor.«

    Dieser Beamte war nicht befugt, jemanden ohne Erlaubnis des Stadtgouverneurs zu exekutieren, und dieser besuchte gerade den Sultan in Meknes. Also ließ der Beamte Pellow »bis zur Rückkehr des Gouverneurs in den Kerker werfen und wies [seine Untergebenen] an, mich hart zu bestrafen«.
    Die Männer, die Pellow gefasst hatten, konnten die Entscheidung des Beamten nicht verstehen. Sie beharrten darauf, dass keine Genehmigung des Gouverneurs erforderlich sei, um einen entlaufenen und wieder eingefangenen Sklaven hinzurichten, und erinnerten ihn daran, dass Pellow »ein Christ sei, der vorgehabt habe, ins Land der Christen zu fliehen«. Obwohl sich der Beamte weigerte, Pellow sofort am Galgen aufzuknüpfen, versicherte er den Männern, dass die Tage des Flüchtlings gezählt seien. »Schließlich einigten sie sich darauf, mich bis zum nächsten Markttag festzuhalten, um mich dann auf dem Marktplatz zu töten.« Der Beamte erinnerte die Männer daran, dass der Markt in vier Tagen stattfinden werde: »Bis dahin sollten die Einwohner Nachricht erhalten, damit sie kommen und die Hinrichtung verfolgen konnten.«
    Pellow war entsetzt. Er hatte den Pöbel oft wüten sehen und begriff, dass er dem Tod kaum entrinnen würde. Er war der Freiheit so nahe gewesen, »und nun durchlitt [er], wie sich jedermann vorstellen kann, die schrecklichsten Qualen«. Er konnte nur für eine schnelle und schmerzlose Hinrichtung beten.
    Pellow wurde von einer Wachmannschaft weggeführt, und »damit [er] keineswegs entkommen konnte, wurde [er] von einer Vielzahl dieser blutdürstigen Schurken in einen sehr tiefen und dunklen Kerker geworfen«. Man sagte ihm, dass es eine Verschwendung sei, einen auf die Hinrichtung wartenden Häftling zu ernähren, weshalb er »nichts außer Brot und Wasser« erhielt. Doch zu seiner großen Überraschung erschien am ersten Abend ein Mitglied des Gefolges des Beamten mit einer Schüssel Fleisch. Und seine Verblüffung wuchs noch, als ihm dieser Diener eine Botschaft des Beamten zusteckte. Darin hieß es, Pellow solle sich »nicht vor der wütenden Menge fürchten, denn [der Beamte] habe[s]einenFall sorgfältig erwogen … und werde [ihn] vor ihrer Raserei schützen, selbst wenn er damit sein eigenes Leben gefährde«. Der Diener sagte nichts über die Gründe für diese außergewöhnliche Entscheidung, und Pellow konnte nicht sicher sein, dass der Mann Wort halten würde. Doch derselbe Diener erschien auch an den folgenden Tagen jeweils zweimal, brachte ihm Nahrung sowie eine weitere ähnliche Botschaft.
    Der Markttag rückte näher, und Pellows Angst wuchs. »Als [der Diener] mir an jenem Morgen das Frühstück brachte (das ich kaum anzurühren vermochte), sagte er mir, ich solle nicht verzweifeln.« Er versicherte Pellow, der Beamte habe vor, ihn vor der Wut des Pöbels zu schützen.
    Thomas Pellow wollte dem Mann nur zu gerne glauben, aber er hatte das Gefühl, sich an einen Strohhalm zu klammern: »Es war nicht mehr als das Versprechen eines Ungläubigen, und obendrein aus

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