Weisses Gold
den Abrissarbeiten verletzen. »Während die Sklaven arbeiteten«, heißt es bei de Manault, »…gehörte es zu seinen Vergnügungen, eine große Zahl von ihnen unter jene Mauern zu stellen, die bald einstürzen würden, damit er sich ansehen konnte, wie sie bei lebendigem Leib unter dem Schutt begraben wurden.«
Auch Thomas Pellow wurde Zeuge derartiger Grausamkeiten. Besondere Sorge machte ihm das Schicksal der Sklaven, die unweit von Meknes in Busakran festgehalten wurden und eine »besonders schlimme und grausame« Behandlung erfuhren. Der Sultan ließ sie »rund um sein Lusthaus einen tiefen und breiten Graben in dem harten Fels ausheben und überwachte sie mit strengen Augen«. Es war eine zermürbende Arbeit, und obendrein verringerte Abdallah die Rationen der völlig erschöpften Sklaven auf ein Minimum.
Doch Thomas Pellow erhielt bald noch schlimmere Nachrichten. Er hatte sich noch nicht ganz von den in Fes erlittenen Verletzungen erholt, als ihn ein berittener Bote aufsuchte, der es, »obwohl es ihm sonst nicht viel ausmachte, schlechte Neuigkeiten zu überbringen, kaum übers Herz brachte, [ihm] zu sagen, dass [s]eine Frau und [s]eine Tochter vor Kurzem innerhalb von drei Tagen gestorben waren«.
Pellow verfiel in tiefe Trauer. Er war fast ein Jahrzehnt lang verheiratet gewesen, und die Geburt seiner Tochter hatte ihn sehr stolz gemacht. Sie war ihm stets ein Trost gewesen und hatte seine Einsamkeit und sein Heimweh gelindert. Er konnte es kaum ertragen, dass sie nicht mehr da war. »[Ich] dachte oft über den Verlust meiner Frau und meiner Tochter nach … vor allem über den des Kindes.«
Das Mädchen hatte ihm viel Freude bereitet, und er hatte oft über die Möglichkeit nachgedacht, sie eines Tages mit nach Penryn zu nehmen. Sein einziger Trost war, dass seine Frau und seine Tochter nun an einem Ort waren, an dem es ihnen angesichts des täglichen Blutvergießens im maghrebinischen Königreich vermutlich »besser ging als in dieser Welt der Mühsal«.
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12
Der lange Weg nach Hause
Nach dem Tod seiner Frau und seiner Tochter durchlebte Pellow eine turbulente Zeit. Das vom Krieg zerrissene Land wurde von Banditen terrorisiert, und die Stammesfürsten entzogen große Gebiete der Kontrolle Sultan Mulai Abdallahs. Fes erhob sich erneut und verweigerte dem barbarischen Sultan die Anerkennung. Daraufhin befahl Abdallah der schwarzen Garde, die Stadt ein für allemal zu unterwerfen.
Thomas Pellow hatte gehofft, in dieser Zeit der Wirren eine Gelegenheit zur Flucht zu finden. Stattdessen musste er erneut an einer Schlacht um Fes teilnehmen. Und wieder »schwamm ich in einem Meer aus Blut, und das Bild wurde in neuen und dunkleren Farben gemalt«. Die schwarze Garde legte in diesem Feldzug eine unbeschreibliche Grausamkeit an den Tag und vergewaltigte und folterte mit unverhohlenem Genuss. Pellow war entsetzt, denn er sah »etwa sieben Monate lang nichts als Tod und Schrecken«. 800 seiner europäischen Kameraden verloren das Leben, und er selbst wurde ein weiteres Mal verwundet. Er erhielt »zwei Musketenschüsse in [s]eine linke Schulter und in den fleischigen Teil [s]eines Hinterns«. Als er sich von den Verletzungen erholt hatte, wurde er in den Kampf gegen widerborstige Stämme im Landesinneren geschickt. Doch damit war sein Leidensweg noch lange nicht beendet: Im Herbst des Jahres 1731 erhielt Pellow den Befehl, an einer Expedition ins westafrikanische Guinea teilzunehmen, wo er sich am Sklavenfang beteiligen sollte.
Pellow war sehr besorgt: »Das gab mir wirklich Anlass zu einiger Unruhe, … denn damit würde ich mindestens zwei Jahre beschäftigt sein.« Er war mittlerweile 27 Jahre alt und hatte in den 16 Jahren, die er der Heimat fern war, ungezählte Gefahren bestehen müssen. Dieses neue Abenteuer würde mit Sicherheit extrem gefährlich werden, denn die Expedition musste die sandigen Weiten der Sahara durchqueren, in denen kaum Wasser zu finden war. In den vergangenen Jahren waren ganzeKarawanen verschollen, und über ihr schreckliches Schicksal hatte man erst Gewissheit erhalten, wenn Suchmannschaften auf gebleichte Gebeine im Sand gestoßen waren. Auch die Jagd auf die Sklaven war ein gefährliches Geschäft, denn die Bevölkerung Guineas wehrte sich erbittert gegen den Menschenraub. Daher fürchtete Thomas Pellow, dass er im Kampf in der äquatorialafrikanischen Wildnis sein Leben verlieren würde.
Auf der anderen Seite hatte er die vage Hoffnung, dass ihm diese Expedition
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